Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Ich habe ihn auch nie kennengelernt. Mein Mann tat dann immer geheimnisvoll. Ich nahm das nicht so wichtig. Ich dachte, Männer werden eben nie erwachsen. Wenn sie zur Schule gehen, haben sie einen geheimen Weg dorthin und später gründen sie dann eben einen Orden. Als dann das Verbrechen geschah, sah ich alles natürlich in einem anderen Licht, aber da war es zu spät. Ich stellte auch Haase zur Rede, der war wie immer eiskalt, spielte den Vorfall herunter und erklärte sich und meinen Mann zu Unschuldsengeln. Ich will meinen Mann und sein Verhalten nicht entschuldigen, aber die treibende Kraft bei der Vergewaltigung war meiner Meinung nach eindeutig Haase. Ich bin mit Haase nie richtig warm geworden. Er ist so ein aalglatter, falscher Typ.«
»Sie nehmen an, dass der Tod Ihres Mannes mit der Vergewaltigung in Zusammenhang steht. Wir ermitteln auch in diese Richtung. Aber könnten Sie sich noch jemanden vorstellen, der Ihren Mann so sehr gehasst haben könnte, dass er zu solch einem Mittel greift?«
»Nein, da fällt mir niemand ein. In seinem Geschäftsgebaren war mein Mann immer sehr korrekt, und wie ich schon sagte, was die letzten drei Jahre angeht, da habe ich absolut keinen Schimmer, was er so getrieben hat.«
Karin erhob sich, reichte Frau Schlott die Hand und gab ihr noch eine Visitenkarte mit der Bitte, sie zu informieren, wenn ihr noch etwas einfallen sollte.
Auf der Straße vor Schlotts ehemaliger Fabrik stellte Steffen Dahlmann sein Auto ab und betrat durch ein großes Schiebetor, welches weit offen stand, das Firmengelände von Schlotts ehemaligem Unternehmen. Der Werkhof war mit großen alten Steinen gepflastert und auch das Firmengebäude schien aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg zu stammen. An einem Kellerfenster sah Steffen noch die Großbuchstaben LSR, die für Luftschutzraum standen. Die Schrift war durch die Zeit verwittert, aber immer noch gut lesbar.
Sofort beim Betreten des Fabrikgeländes wehte ihm der Geruch von Maschinenöl entgegen. Dieser Geruch schien sich in den Mauern festgesetzt zu haben, denn viel gearbeitet wurde hier nicht. Der Werkhof war viel zu sauber und aufgeräumt für ein florierendes Unternehmen. Doch in der großen Halle gegenüber des Eingangs wurde noch gearbeitet. Steffen hörte den unverwechselbaren Klang einer Werkzeugmaschine. Als er die Maschinenhalle betrat, sah Steffen, dass bis auf eine Drehbank alle Maschinen sauber geputzt waren und nicht benutzt wurden. Er ging zu dem Arbeiter, der die Drehmaschine bediente, und schaute neugierig zu, wie der Meißel lange, sich kringelnde Späne von einem Werkstück löste.
Als der Mann Steffen bemerkte, stellte er die Maschine ab, tippte grüßend mit dem Finger an seine blaue Schirmmütze und fragte, wie er helfen könne. Steffen erkundigte sich nach dem Chef und wurde in das Büro am Ende der Werkstatt verwiesen.
Steffen klopfte an die Tür und trat auf ein »Ja, bitte« ein. An einem Schreibtisch saß ein junger Mann von Mitte dreißig und las die Zeitung.
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei Ihrer Pause. Mein Name ist Dahlmann, Kripo Dresden. Ich hätte ein paar Fragen an Sie.«
»Pause? Schön wär’s! Ich habe schlicht nichts zu tun. Aber da kann Unterhaltung nicht schaden. Was möchten Sie denn wissen?«
Steffen zückte sein Notizbuch, blätterte zur letzten beschriebenen Seite und fragte: »Sie sind Martin Seidel, Inhaber dieser Firma?«
»Seit dem Herbst letzten Jahres möchte ich das eigentlich nicht mehr sein, aber noch bin ich es.«
»Steht es so schlecht?«, fragte Steffen mitfühlend.
»Seit ein paar Banker Apokalypse spielten, sieht es sehr, sehr trübe aus. Sie haben es selbst gesehen. Die derzeitige Auftragslage rechtfertigt kaum noch die Beschäftigung eines Angestellten. Wenn es noch schlimmer wird, muss ich auch noch den Letzten nach Hause schicken.«
»Ich hoffe für Sie, dass es bald wieder aufwärts geht. Aber nun zum Grund meines Besuches. Ich komme wegen Herrn Schlott. Er wurde heute Morgen das Opfer eines Tötungsdeliktes. Laut meiner Unterlagen haben Sie die Firma vor einem Jahr von ihm gekauft.«
»Scheiße. Der Peter. Das gibt es nicht.« Martin Seidel war sichtlich fassungslos. »Wissen Sie schon, warum er ermordet wurde?«
»Nein. Die Ermittlungen laufen noch. Warum hat Herr Schlott die Firma an Sie verkauft?«
»Ich kann nicht glauben, was Sie mir erzählen. Peter war ein guter Kerl. Er hat diese Firma aufgebaut. Er war ein richtiges Arbeitstier. Er kannte kein Wochenende und
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