Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
gefesselt, dass es ihm unmöglich gewesen war, sich zu befreien. Obwohl sie davon ausgegangen war, dass die Kellerwände seine Schreie dämpfen würden, hatte sie auch den Mund ihres Opfers verklebt, um zu verhindern, dass Schlotts Rufe nach außen drangen
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In der Zeit seiner Bewusstlosigkeit hatte sie ebenfalls das Fahrrad und die Berufsbekleidung der Zustellerin hinter dem Haus im Garten deponiert
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Zurück im Keller hatte sie gewartet, bis Schlott wieder zu sich gekommen war. Nach einer halben Stunde hatte er das Bewusstsein wiedererlangt, hatte aber noch eine geraume Zeit im Ketamin-Rausch vor sich hin gedämmert
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Um sich selbst für die vor ihr liegende Aufgabe zu wappnen, hatte sie ein nervendämpfendes Neuroleptika genommen. Der Anspannung, dass sie während der Wartezeit ständig der Entdeckung ausgesetzt gewesen war, hätte sie sonst nie standgehalten
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Als sie gespürt hatte, dass Schlott wieder normalen Empfindungen zugänglich war, hatte sie begonnen, mit monotoner Stimme zu sprechen. Sie hatte von den Ereignissen, die sich vor drei Jahren zugetragen hatten, erzählt. Sie hatte weder sich noch ihn geschont. Keine Einzelheit, und war sie auch noch so grausam und widerlich, hatte sie ausgelassen. Sie hatte von dem Schmerz und der Verzweiflung, die Sarah erdulden musste, berichtet. Sie hatte ihm die Vergewaltigung bis ins kleinste Detail vor Augen geführt. Und sie hatte auch davon gesprochen, wie die Männer Sarah, als sie mit ihr fertig waren, zwischen Müllbehälter gezerrt und dort wie Abfall zurückgelassen hatten. Zum Schluss hatte sie von Sarahs Angst erzählt, die nie wieder von ihr gewichen war und von der sie erst der Tod geheilt hatte
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Schlott hatte furchtbar unter der Erinnerung gelitten. So hatte sie es auch gewollt. Er sollte wissen, warum sie gekommen war und warum er sterben musste
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Als sie ihre Ausführungen beendet hatte, hatte sie das Klebeband von seinem Mund entfernt und ihn nach dem Namen des dritten Mannes gefragt. Schlott hatte geschwiegen. Auf ihre erneute Aufforderung hatte er irgendwelchen Müll von Ehre und Kameradschaft von sich gegeben. Dann hatte er begonnen, ihr zu drohen und sie zu beschimpfen. Sie hatte diese Reaktion befürchtet
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Das, was sie nun hatte tun müssen, hatte ihr zutiefst widerstrebt. Ohne die Psychopharmaka wäre sie nie in der Lage gewesen, eine ihr so wesensfremde Tat zu begehen. Sie hatte erneut seinen Mund verklebt und den Stoff seines Hosenbeins aufgeschnitten
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Dann hatte sie ein Skalpell genommen und die Haut über seinem Schienbeinknochen zerteilt. Schlott hatte sich in seinem Stuhl aufgebäumt und unter dem Klebeband laut gestöhnt. Sie hatte sich nicht aufhalten lassen. Mit der Spitze des Skalpells hatte sie auf der freigelegten Knochenhaut geschabt. Schlotts Stöhnen war während dieser Prozedur zu einem gedämpften Quieken mutiert. Vor Schmerz hatte er die Kontrolle über seinen Darm verloren. Er hatte derart an seinen Fesseln gerissen, dass sie ihm tief ins Fleisch geschnitten hatten
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Als sie angenommen hatte, dass der Zeitpunkt gekommen sei und Schlott bereit wäre zu reden, hatte sie die Folter eingestellt. Als der vor Schmerzen fast wahnsinnige Schlott etwas zur Ruhe gekommen war, hatte sie das Klebeband entfernt und erneut die Frage nach dem dritten Mann gestellt. Diesmal hatte er geantwortet. Als der Name seinen Lippen entschlüpft war, so leise, dass er kaum an ihr Ohr drang, hatte sie ein Schwindel ergriffen
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Ein Schleier war von ihren Augen gefallen. Nun hatte sie verstanden
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Für Schlott hatte sie nur noch eine kleine, fast nichtssagende Bewegung übrig gehabt. Mit dem Skalpell hatte sie ihm die Halsschlagader geöffnet
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Das Letzte, was sie von Schlott gesehen hatte, war sein fassungsloser Blick, der dem Leben galt, das aus ihm herausströmte
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Sie hatte alle Dinge, die sie mitgebracht hatte, eingesammelt und das Haus verlassen. Quer über die Felder hatte sie ihren Rückweg nach Weißig angetreten
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In Dresden, weit ab von dem Ort des Geschehens, hatte sie im Lauf des Tages die neu gekauften Kleidungsstücke, die sie bei der Ausführung getragen hatte, auf verschiedene Kleiderspendencontainer verteilt. Das Skalpell hatte sich am Abend zu dem Schraubenzieher, der bereits am Grund der Elbe ivartete, gesellt
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Nach Abschluss aller Arbeiten wiede daheim, ergriff sie Trauer. Mit Gewalt kämpfte sie gegen die Erinnerungen an. Den heutigen Mord und die Folter zu verdrängen, gelang ihr, aber die Wunde in ihrer Seele, die
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