Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
»Drei? Drei Täter? In den Berichten ist immer nur von zweien die Rede.«
»Das ist genauso falsch wie mein angeblicher Bericht. Sarah Lefort hat eindeutig drei Täter beschrieben.«
Als Sandra nach dem Gespräch mit Polizeiobermeister Unger die Wache verlies, glaubte sie wenigstens in einem Punkt sicher zu sein: Den dritten Täter jagte nicht nur die Polizei.
Karin stand vor einer großen Villa und betätigte die Klingel, über der auf einem gediegenen Schild der Name ›Dr. Herrmann von Falkenstein‹ eingraviert war. Karin hatte Dr. von Falkenstein angerufen und er hatte sie kurzerhand in sein Haus in den Stadtteil Weißer Hirsch eingeladen. Der Weiße Hirsch zählt zu den exklusivsten Wohngegenden der Stadt. Die Nähe der Dresdner Heide und der an manchen Stellen wunderschöne Blick auf das Elbtal gaben diesem Stadtteil einen eigenen Reiz.
Von Falkensteins volltönende Stimme kam ungewöhnlich klar aus dem Lautsprecher. Sogar die Lautsprecheranlage ist vom Feinsten, dachte Karin. Dr. von Falkenstein empfing sie an der Wohnungstür und bat sie in sein Arbeitszimmer.
Die gesamte Wand hinter seinem edlen Schreibtisch war verglast, sodass der Nutzer dieses Raumes immer den Blick auf den gepflegten und weitläufigen Garten genießen konnte. An die gegenüberliegende Wand war ein verglaster Bücherschrank aus Echtholz getischlert worden. Dieser wuchtige Schrank nahm die gesamte Wandbreite ein und erstreckte sich auch über die Tür. Die Bücher im Schrank standen nicht nur zur Zierde dort, Karin sah ihnen an, dass sie oft gelesen wurden. Auf dem Schreibtisch stand eine Flasche Irischer Whiskey.
Dr. von Falkenstein stellte ein großes Kristallglas vor sie und war im Begriff, Karin einzuschenken.
»Nein danke, ich muss fahren«, sagte Karin abwehrend und warf der Flasche
Tullamore Dew
einen todtraurigen Blick
»Schade, Sie wissen wahrscheinlich nicht, was Sie verpassen«, meinte Dr. von Falkenstein und schenkte eine großzügige Portion in sein Glas, zu der er Eiswürfel aus einem stilvollen Kühlgefäß gab.
»Oh doch. Das weiß ich nur zu gut. Sollte ich Sie noch einmal aufsuchen, komme ich mit dem Bus.« Karin lächelte Dr. von Falkenstein an. Sie war sich ziemlich sicher, dass den Doktor ein Glas Whiskey nicht vom Fahren abhielt. Aber Karin hing an ihrer Fahrerlaubnis. Nun lehnte sie sich entspannt in dem bequemen Besuchersessel zurück, sah Dr. von Falkenstein in die Augen und sagte: »Ich will gleich zum Punkt kommen. Als Sie gestern an unserer Sitzung teilnahmen, hatten Sie sich da schon vorab mit dem Material zu dem ersten Mordfall vertraut gemacht?«
»Ja, natürlich. Ich wollte nicht unvorbereitet sein.« Dr. von Falkensteins Bewegungen wurden bei seiner Antwort fahrig.
»Warum haben Sie uns nicht von ihrer Bekanntschaft zu Herrn Haase, dem ersten Mordopfer, informiert? Es wäre Ihre Pflicht gewesen.«
Dr. von Falkenstein wand sich, kam aber trotz seines Unbehagens sofort zur Sache: »Aus zwei Gründen. Zuerst einmal, ich wusste natürlich, dass die Kanzlei von Herrn Haase meine Steuererklärung bearbeitet. Aber ich habe noch nie einen Fuß in sein Steuerbüro gesetzt, geschweige denn mit ihm gesprochen. Ich kannte Herrn Haase nicht. Meine Sekretärin kümmert sich um diese Angelegenheiten. Nun zu Grund zwei: Ich verbringe die gesamte Woche damit, gestresste Manager und ihre überspannten Ehefrauen zu therapieren. Die Chance, mich wieder einmal mit solch einem interessanten Persönlichkeitsprofil wie dem dieser Mörderin zu befassen, wollte ich nicht gefährden. Ich weiß, ich hätte Sie sofort von der Verbindung meiner Praxis mit dieser Kanzlei informieren müssen. Aber was wäre dann passiert? Sie hätten mich sofort von dem Fall abgezogen. Das wollte ich nicht riskieren.«
Während seiner Ausführungen war Dr. von Falkenstein wieder zunehmend ruhiger geworden. Karin überlegte kurz. Der Schaden war nun angerichtet. Sie würde überprüfen, ob die Ausführungen des Analytikers der Wahrheit entsprachen. Seine Gründe klangen für sie plausibel. Sie beschloss, erst einmal mit ihm zusammenzuarbeiten.
»Irgendwie kann ich Sie verstehen, aber sie müssen damit leben, dass ich all die Dinge, die Sie mir gerade mitteilten, überprüfen werde. Sollten Sie die Tatsachen zu ihren Gunsten zurechtgebogen haben, müssen Sie mit Konsequenzen rechnen.«
Dr. von Falkenstein atmete auf. »Selbstverständlich. Sie können auf meine uneingeschränkte Mitarbeit zählen.«
»Gut. Ich gehe erst einmal davon aus,
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