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Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Titel: Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M. Sturm
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zurück. Dabei präsentierte sie Jan ihr fettes Hinterteil, welches in den Leggins besonders unvorteilhaft zur Geltung kam. Am Ende des Flures öffnete sie eine Tür und schrie hinein: »Ma! Vor der Tür steht ein Bulle.« Anschließend verzog sie sich in einen anderen Raum und krachend knallte die Tür hinter ihr ins Schloss. Nach einer geraumen Weile erschien eine Frau, die sich am Türrahmen festhalten musste, in Jans Blickfeld. Mit einer matten Bewegung forderte sie ihn zum Betreten der Wohnung auf. Vorbei an dem Zimmer des Mädchens, aus dem eine dunkle, bedrohliche Musik dröhnte, kam Jan ins Reich der Mutter. Hier regierte der deutsche Schlager. Das Zimmer präsentierte sich in einem abgewohnten Zustand. Die Tapeten waren fleckig und die Gardinen hatte das Nikotin gelb gefärbt. Jan befürchtete zu ersticken. Die abgestandene Luft war von Alkoholdunst durchdrungen und Nebelschwaden von unzähligen Zigaretten waberten unter der Decke. Die Frau saß wieder in einem Sessel, dessen Bezugstoff an mehreren Stellen wehmütig nach unten hing. Sie deutete auf einen Sessel und murmelte etwas, dessen Sinn Jan nicht deuten konnte. Er nahm es als Einladung und setzte sich vorsichtig auf die äußerste Kante des Sitzmöbels. Jan nahm all seine stimmliche Kraft zusammen und fragte die Frau mit Donnerstimme nach ihrer ehemaligen Nachbarin. Ihre Antwort konnte Jan beim besten Willen nicht verstehen. Kurzerhand stand er auf und schaltete den CD Spieler aus. Wo er einmal stand, öffnete er gleich das Fenster. Die Frau sah seinem Treiben emotionslos zu. Jan wiederholte seine Frage.
    »Ich weiß nichts über die Lefort. Sie war mir zu hochnäsig und hat sich ständig beschwert.«
    »Beschwert? Worüber denn?«, fragte Jan scheinheilig.
    »Die Musik war ihr zu laut, die Treppe nicht ordentlich geputzt. Nur Genörgel, ohne Grund.«
    »Haben Sie zufällig beobachtet, ob Frau Lefort manchmal Besuch bekam?«
    »Ja, da war ab und zu eine Frau da.«
    »Haben Sie mit dieser Frau gesprochen oder kannten sie deren Namen?«
    »Nein, die war genauso eingebildet wie die Lefort.«
    Jan hielt der Frau das Phantombild der Verdächtigen vor das Gesicht. »War es diese Frau, die bei Ihrer Nachbarin zu Gast war?«
    Es war eine sichtliche Anstrengung für die Frau, sich auf das Bild zu konzentrieren. Sie legte ihre Zigarette weg und goss sich einen großzügigen Schluck Wermut in eine Kaffeetasse, die ihren Henkel schon vor langer Zeit eingebüßt hatte. Nach dieser Stärkung nickte sie und sagte: »Ja, das könnte die Frau gewesen sein.« Der Alkohol hatte die Frau beflügelt, sie erwachte aus ihrem Dämmerzustand, sah Jan an und fragte: »Wieso ist die Lefort auf einmal so populär?«
    »Es handelt sich nur um eine Routineuntersuchung.« Jan, welcher der Meinung war, dass es hier nichts weiter zu erfahren gab, wandte sich zum Gehen.
    »Routineuntersuchung, dass ich nicht lache.« Sie lachte tatsächlich. Jan glaubte es zumindest, denn sie gab Geräusche wie eine zufriedene Saatkrähe von sich.
    »Ich kann Ihre Freude nicht so recht nachvollziehen«, wunderte sich Jan. »Was ist denn an meinen Fragen so lustig gewesen?«
    Die Frau rülpste und grinste Jan spitzbübisch an: »Weshalb treten denn die Bullen bei einer Routineuntersuchung in Rudeln auf?«
    Jan überlegte kurz, ob ihn die Frau wohl doppelt sah. Bei seiner Ankunft in ihrem Zimmer hatte er mehrere leere Flaschen bemerkt. Aber sie machte einen klaren und höchst vergnügten Eindruck. Sie freute sich wie ein Schulmädchen, weil sie ihn scheinbar bei einer Schummelei ertappt hatte. »Ihr Kollege, der gestern Abend hier war, hat genau dieselben Fragen gestellt.«
    Jan, total aus dem Konzept gebracht, setzte sich wieder. »Wie hieß mein Kollege, der vor mir da war?«
    Die Frau zuckte nur die Schultern.
    »Aber er muss sich doch ausgewiesen haben.«
    »Haben Sie sich vielleicht vorgestellt?«
    »Ja, ich habe Ihrer Tochter meinen Namen genannt und mich ausgewiesen.«
    »Dann werden Sie wohl meine Tochter fragen müssen.« Nach dieser Feststellung war jegliches Interesse der Frau erloschen. Sie steckte sich eine neue Zigarette an, stand auf und stellte die Musik wieder an.
    Jan ging ins Zimmer der Tochter, wobei die Mutter keinerlei Anstalten unternahm, ihm zu folgen. Als Jan nach seinem Klopfen, auf das er keine Antwort erhielt, den Raum betrat, blieb er verwundert stehen. Mit dem Anblick, der sich ihm bot, hatte er nach dem ersten Eindruck, den er von der Tochter hatte, nicht gerechnet. Sie

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