Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
dass wir unsere Zusammenarbeit fortsetzen, oder besser gesagt damit beginnen.« Karin war insgeheim froh, dass Dr. von Falkenstein wahrscheinlich nichts mit Haase zu tun hatte. Sie konnte qualifizierte Hilfe bei diesem Fall durchaus gebrauchen. So sah sie ihn auffordernd an und bat ihn, seine Ergebnisse darzulegen.
Nun war der Doktor in seinem Element. Jede Unsicherheit fiel von ihm ab. Er genehmigte sich einen Schluck Whiskey, verzog genießerisch das Gesicht und begann mit seiner volltönenden Stimme mit den Ausführungen.
»Dass die Täterin intelligent und medizinisch gebildet ist, wurde bereits gestern, ohne meine Mithilfe, festgestellt. Ich kann das nur unterstreichen. Die Frage, die sich jetzt noch stellt, lautet eigentlich: Handelt es sich um eine Profikillerin oder um eine Frau, die aus persönlichen Motiven handelt? Ich kann die Berufskillerin ausschließen. Es gibt eigentlich nur zwei Arten von Profikillern. Die ungebildeten, die durch Brutalität zum Ziel kommen wollen und die raffinierten, erfahrenen Mörder. Da diese Frau unbestreitbar hochintelligent ist, entfällt Möglichkeit eins. Aber eine erfahrene Profikillerin geht nicht die Risiken ein, die diese Frau auf sich nahm, um zu verhindern, dass die Postbeamtin zu Schaden kommt. Der Kauf des Schlafsacks und des Kissens, sowie der Transport dieser Gegenstände zum Ort des Überfalls, bergen enorme Gefahren für die Täterin. Durch Nachforschungen kann vielleicht die Verkaufsstelle gefunden werden und eine Verkäuferin erinnert sich, des Weiteren fällt eine bepackte Person eher auf. Und der Anruf erst! Dadurch ist die Stimme der Täterin bekannt und es besteht immer die Möglichkeit, Telefonnetze zu überprüfen. Eine intelligente Berufsmörderin nimmt solche Bedrohungen, egal wie mitfühlend sie ist, niemals auf sich. Außerdem stumpfen Profikiller mit der Zeit ab, wenn sie überhaupt je zu positiven Gefühlen fähig waren. Deshalb liegt für mich klar auf der Hand, dass die Person aus privaten Gründen heraus handelte.«
Auf einmal sprang Dr. von Falkenstein auf und sagte: »Wie ungezogen von mir! Ich vergaß total, Ihnen etwas Alkoholfreies zu trinken anzubieten. Was kann ich Ihnen reichen?«
Karin, die tatsächlich etwas durstig war, bat um ein Wasser. Der Doktor eilte hinaus und kam mit zwei Flaschen
Perrier
wieder. Beim Eingießen schmunzelte er: »Erst durch mein eigenes Durstgefühl kam mir der Gedanke, dass meine attraktive Besucherin ebenfalls etwas trinken möchte. Ich bitte um Verzeihung.«
»Durch die nette Beschreibung meiner Person bin ich besänftigt«, lächelte Karin. Sie trank gierig ihr Glas leer und fragte: »Können Sie mir etwas Greifbares über den Charakter und die Beweggründe der Täterin mitteilen?«
»Zuerst lasse ich frische Luft herein«, sagte Dr. von Falkenstein und öffnete weit einen Fensterflügel. »Melden Sie sich bitte, wenn es zu kühl wird.«
Er nahm wieder in seinem Ledersessel Platz, trank einen Schluck Whiskey und fuhr fort: »Ich beginne am besten mit der Persönlichkeit der Täterin. Aufgrund ihres Bildungsstandes geht sie bestimmt einer qualifizierten Tätigkeit nach, mit Sicherheit im medizinischen Bereich. Das würde auch ihre Zugangsmöglichkeit zu den verwendeten Substanzen erklären. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Täterin in ihrer Jugend vor Problemen stand, die sie zwangen, für sich allein zu sorgen. Dadurch ist sie es gewohnt, ihre Angelegenheiten im Alleingang zu regeln. Eine absolut sichere Expertise kann ich aber leider nicht abgeben. Es ist schon kompliziert genug, wenn ich die betreffende Person kenne, und auch in so einem Fall ist meine Einschätzung oft spekulativ. Aber weiter, ich nehme ferner an, dass sie ein stiller, eher introvertierter Mensch ist, der zurückgezogen lebt. Aber sie ist kein Menschenfeind, ganz im Gegenteil. Hier dient wieder ihre Handlung gegenüber der Postbotin als Grundlage für meine Einschätzung. Sie ist bestimmt eine mitfühlende, gutherzige Person.«
Karin unterbrach Dr. von Falkenstein erneut, diesmal aber lachend. »Wenn Sie in diesem Tenor fortfahren, den Charakter der Täterin zu zeichnen, werden wir sie am Ende dieser Besprechung dem Vatikan für die nächste Heiligsprechung vorschlagen.«
Dr. von Falkenstein reagierte etwas konsterniert auf Karins Heiterkeitsausbruch. »In diesem Teil der Persönlichkeitsanalyse bin ich von meiner Meinung überzeugt«, stellte er mit Nachdruck fest. »Wenn Sie ihr erst gegenüberstehen, werden Sie
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