Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
lassen. Spricht einer aus unserem Team die Sprache?«
»Nicht dass ich wüsste, aber dafür habe ich eine Lösung. Das klären wir nach dem Schulbesuch.«
Sandra trat zu Karin und sah ihr neugierig über die Schulter: »Was vernichtest du da eigentlich?«
»Ich vernichte Beweismaterial.«
»Darfst du das denn?«
Karin lächelte Sandra an und legte dann ihren Zeigefinger auf die Lippen. »Top secret! Aber ich erzähle es dir später einmal.«
Als Karin und Sandra das Gymnasium, an dem Sarah Lefort bis zu ihrem Tod unterrichtet hatte, betraten, war gerade Unterrichtspause. Die kleinen Schüler rannten wie aufgescheuchte Hühner umher und fabrizierten dabei einen unbeschreiblichen Lärm. Die Jungen der älteren Jahrgänge bewegten sich betont lässig und die großen Mädchen zogen kichernd in Grüppchen die Gänge entlang. Die beiden Kommissarinnen mussten ständig über Schultaschen und Kleidungsstücke hinweg steigen, die oft einfach auf dem Boden herumlagen. Karin stoppte einen großen Jungen, der Hosen trug, in denen Karin und Sandra zusammen bequem Platz gefunden hätten. Sie fragte nach dem Zimmer des Schulleiters. Er nuschelte etwas, was sich wie ›third floor‹ anhörte. Karin zuckte die Schultern und sagte zu Sandra: »Der hatte sicher gerade Englisch und will sein neues Wissen anbringen.«
Sandra ging zielstrebig in eine Ecke des Erdgeschosses und kam mit enttäuschter Miene zurück.
»Suchst du die Toilette?«, fragte Karin.
»Nein, den Aufzug. Der muss doch irgendwo sein.«
»Wir befinden uns in einer Schule! So lange ist es doch noch nicht her, dass du selbst mit dem Ranzen auf dem Rücken durch so ein Gebäude gedackelt bist. Hast du bereits vergessen, dass es in Schulen kaum Aufzüge, aber dafür schöne breite Treppen gibt?«
»Ich bin geschritten und nicht gedackelt! Aber du hast doch auch gehört, dass wir in den dritten Stock müssen, da darf man es doch wenigstens versuchen, oder?«
Als Karin im dritten Stock anlangte, schnaufte sich Sandra eine halbe Treppe tiefer dem Ziel entgegen. Karin stemmte die Hände in die Hüften und meinte: »Wo bleibst du denn?«
»Was denkst du denn, warum ich so scharf auf einen Aufzug war? Ich bin Treppensteigen nicht gewöhnt«, keuchte Sandra, als sie außer Atem ankam.
Karin grinste. »Es kann schon vorkommen, dass wir in die Situation kommen, wo wir einen Verdächtigen verfolgen müssen. Wir zwei sind Partner, und da hätte ich es schon ganz gern, wenn du mir Unterstützung leisten würdest.«
Sandra verstand die Anspielung auf ihre vorwurfsvollen Worte bezüglich Karins Schießergebnisses. Sie schaute Karin betrübt an. »Okay, ist angekommen. Ich werde da wohl etwas unternehmen müssen.«
Da Sandra sie telefonisch angemeldet hatte, mussten sie nicht warten und die Sekretärin ließ sie sofort zu dem Schulleiter vor. Herr Brendler empfing die beiden Kommissarinnen kühl. Er machte eine nichtssagende Bewegung in Richtung Stuhl, schob einen Aktenordner beiseite, um so anzudeuten, dass er eine wichtige Arbeit ihretwegen unterbrach, und sah sie ausdruckslos an. Karin ließ sich von dem eisigen Empfang nicht stören und begann das Gespräch. »Wie meine Kollegin Ihnen bereits am Telefon mitteilte, sind wir hier, um Sie zu bitten, unsere Fragen bezüglich Sarah Lefort zu beantworten.«
Herr Brendler verzog keine Miene und nickte nur.
»Wir möchten gern Näheres über Frau Leforts Charakter, und soweit es Ihnen bekannt ist, über Ihr Privatleben erfahren.« Karin, der das seltsame Verhalten des Schulleiters sonderbar vorkam, lehnte sich zurück und sah diesen auffordernd an.
Herr Brendler holte tief Atem und machte dann seinem Unmut Luft: »Sarah ist jetzt seit drei Jahren unter der Erde. Ich denke, sie wäre noch am Leben, wenn unsere Ordnungsmacht nach der Vergewaltigung ihre Arbeit erledigt hätte. Aber es war ja nur eine simple Vergewaltigung, nicht etwas so Schlimmes wie zum Beispiel ein Bankraub. Und jetzt kommen Sie und wollen Auskünfte. Vor drei Jahren war kein Beamter hier und hat Ermittlungen angestellt. Was also wollen Sie nach dieser Zeit noch? Sarah können Sie nicht wieder zum Leben erwecken.«
Weder Karin noch Sandra hatten damit gerechnet, so angefahren zu werden. Karin wollte schon heftig reagieren, da fielen ihr die guten Vorsätze wieder ein, die sie für sich erstellt hatte. Sie kannte ihre Defizite, vor allem ihre manchmal hitzige Art. So zählte sie langsam bis zehn und danach gleich noch einmal, weil einmal nicht ausreichend
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