Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
beruhigend ihre Hand auf deren Unterarm. »Du musst dich nicht zieren. Christine freut sich, wenn wir bleiben und das Telefonat mit der Gendarmerie wird auch einige Zeit in Anspruch nehmen.«
Sandra gab nach. In ihrem Inneren war sie froh, nicht in das Haus zu den Eltern ihres Freundes zu müssen und Christine vermittelte ihr mit einem Blick, wie willkommen sie sei.
Karin, die sich in Christines Reich mit einer Selbstverständlichkeit bewegte, die Sandra verriet, dass sie hier oft zu Gast war, kam nach einem ersten Begrüßungsschluck gleich zur Sache. Gemeinsam mit Sandra erläuterte sie Christine, was genau sie von der Gendarmerie in Rochefort erfahren wollten.
»Und als wen soll ich mich am Telefon ausgeben? Einer Reiseleiterin wird die französische Polizei wohl kaum Auskunft erteilen.« Christine lächelte spitzbübisch und sah Karin fragend an.
»Du stellst dich einfach als Kriminalhauptkommissarin Karin Wolf vor«, sagte Karin.
Und Sandra fügte hinzu: »Es wird schon keine Probleme geben. Ich habe bereits mit dem Polizisten gesprochen. Wir haben in einem ersten Gespräch unsere dürftigen Englisch-kenntnisse gebündelt und ich habe mit ihm vereinbart, dass ein Beamter mit den entsprechenden Sprachkenntnissen zurückruft.«
Sandra wählte die Nummer und gab den Hörer gleich an Christine weiter. Karin und Sandra erlebten Christine nun in Aktion. Obwohl beide kein Wort verstanden, war es für sie ein einzigartiges Erlebnis, Zeugen dieses Telefonats zu werden. Christine hielt es nicht auf ihrem Platz. Sie tigerte in der Stube umher und sprach ununterbrochen. Ihre Rede strotzte nur so von Qui’s und Oh’s. Dabei gestikulierte sie wild mit der freien Hand. Nach einer reichlichen halben Stunde verabschiedete sich Christine von ihrem Gesprächspartner, welchen sie die gesamte Zeit ›Chéri‹ genannt hatte. Erschöpft von der langen Rede ließ sich Christine in den Sessel fallen und stärkte sich mit einem gewaltigen Schluck Wein, bevor sie mit ihrem Bericht begann. »Inspector Caffier ist ein sehr charmanter Mann und hat kategorisch ausgeschlossen, dass Frau Leforts Eltern diese Morde verübt haben. Er wohnt in ihrer Nachbarschaft, sodass es ihm unbedingt aufgefallen wäre, wenn sie den Ort oder gar das Land verlassen hätten. Seit ihrer traurigen Reise nach Deutschland, wo sie ihre tote Tochter heimholten, waren sie ständig zu Hause. Die kleine Mylène, die Schwester von Sarah, entfällt ebenfalls als Täterin. Sie ist ein Nachzügler, gerade neunzehn Jahre alt geworden, das passt mit der Beschreibung eurer Unbekannten nicht überein. Die Familie Lefort betreibt einen Bauernhof. Sie nagen nicht gerade am Hungertuch, aber die Mittel, eine professionelle Mörderin zu finanzieren, würde ihr Budget eindeutig übersteigen. So, ich hoffe ich konnte euch weiterhelfen.«
»Danke für deine Mühe«, sagte Karin schlicht. »Wir können jemanden von unserer Liste streichen, aber der Mörderin sind wir keinen Schritt nähergekommen. Es ist wie verhext, diese Frau ist ein Phantom.«
»Na, lasst euch nicht verdrießen«, wollte Christine aufmuntern. »Wir machen uns jetzt einen schönen Abend und morgen könnt ihr weiter ermitteln.«
17. Kapitel
Ein Tag war seit dem feuchtfröhlichen Abend, den Karin und Sandra bei Christine verbracht hatten, vergangen. Die Mitglieder der Sonderkommission kamen in dieser Zeit bei ihren Ermittlungen keinen Schritt weiter. Dementsprechend deprimiert war die Stimmung in dem Büro von Karin und Sandra, als Jan Klingenberg nach seinem Klopfen bei den beiden eintrat. Sandra saß vor dem Computer und Karin stand am Fenster und sah hinaus. Das aus Sandstein errichtete, gegenüberliegende Gebäude des Albertinums nahm sie dabei nicht wahr. Sie jagte immer noch dem Gedanken nach, der in ihrem Hirn festsaß und nicht hervorkommen wollte. Sie kam sich vor, als würde sie vor einem Teich hocken und der Gedanke, den sie so verzweifelt zu greifen versuchte, lag im Schlamm des Grundes verborgen. Doch je mehr sie in dem Schlamm wühlte, umso mehr trübte sich der Teich ein.
»Ich komme gerade aus Frau Leforts ehemaliger Schule«, begann Jan das Gespräch. Karin bemerkte ihn erst jetzt. Sie nickte ihm freundlich zu und schob ihm den Besucherstuhl hin. »Ich habe nun alle Lehrer und auch die anderen Angestellten des Gymnasiums abgeklappert. Keiner kannte die Frau auf dem Phantombild.«
»Hattest du noch irgendwelche Hoffnungen diesbezüglich gehegt?«, fragte Sandra resignierend.
»Nein,
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