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Vom Aussteigen und Ankommen

Titel: Vom Aussteigen und Ankommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Grossarth
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montiert. Wir begannen darunter unser Abendessen abzuspülen. Hier auf dem Friedhof, sagte ich, könnte das Wasser eventuell mit Kolibakterien verseucht sein, wenn es einfaches Grundwasser sei und nur zum Gießen der Grabpflanzen gedacht. Pawlik nahm den Einwand zur Kenntnis und roch intensiv an dem Wasser, das er mit den Händen aus dem Bassin abgeschöpft hatte. Er schüttelte den Kopf und meinte, das Wasser sei gut.
    »Wir sind doch in einer sehr komfortablen Lage«, sagte er. »Es gibt hier frisches Wasser, es ist warm draußen, und es gibt keine wilden Tiere, keine Löwen, keine Tiger.«
    Neben dem Bassin setzten wir uns auf eine Parkbank. Gegenüber lag das Grab der Familie Westermeier mit Luise, Wilhelmine, Marie, Hans und Maria. Es war schon Abend, vielleicht halb neun. Unser Menü begann mit den nicht zermatschten Hälften der Bananen (Pavlik aß die ganzen Bananen). Als zweiten Gang gab es Biobrötchen und Toastbrot, belegt mit dem halb geschmolzenen Camembert. Auf der Packung Golden Toast klebte ein orangefarbenes Schild: »30 % billiger«. Pavliks Teelöffel war unser Universalinstrument, er hatte so viele Funktionen wie ein Schweizer Taschenmesser. Mit dem Griff des Löffels konnte man den Camembert in Scheibchen zerteilen und auf dem Brot verstreichen, ebenso schabten wir damit die Karotten ab, die es als Nächstes zu essen gab. Alles schmeckte so süßlich, die Vögel sangen so zart. Als Dessert aßen wir den Grießbrei von Landliebe mit dem Multifunktionslöffel. Schließlich aß Pavlik neun Kid Crunchys, ich nahm drei Riegel von dem Puffreis. Fin du menu.
    Wir gingen über den Friedhof und fanden, nachdem wir einen Trauergast gefragt hatten, ein Ausgangstor, das in den Englischen Garten führte. Hier in seinem Nordteil war der Garten wilder als im touristischen Süden, in dem wir uns am Morgen getroffen hatten. Das Gras seiner Wiesen war lang, er war durchsetzt von launischen Bächen, die sich trennten und wieder eins wurden und dann doch wieder spalteten und die Waldinseln umschlossen wie die Muttergöttin ihre Geschöpfe.
    Pawel Jósef Stanczyks Großvater war Alkoholiker gewesen, und auch der Vater des Elfen trank. Pavlik hasste Alkohol und noch mehr die Leute, die »für Geld« Werbung dafür machten, um den Alkohol dann »für Geld« zu verkaufen. Verantwortung schien Pavlik ein wichtiges Thema zu sein, und Leute, die etwas für Geld taten, übernahmen nicht genug Verantwortung, fand er. Sein Vater musste seit Jahrzehnten allerhand stupide Jobs machen: Bier verkaufen, in einer Gewürzfabrik schuften. Für Geld, nur für das Geld.
    Pawel Jósef hatte eine bewegte Kindheit. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er vier Jahre alt war, und Pawel wollte am liebsten bei seinem Vater bleiben. Doch der hatte nicht das Sorgerecht. Er nahm Pawel und seinen größeren Bruder und flüchtete mit ihnen. Jahre zogen sie durch Polen, es war eine ewige Flucht vor der Mutter und der Polizei. Oft blieben sie nur eine Woche an einem Ort. Pawel wurde erst in der vierten Klasse eingeschult. Er war mehr ein Flüchtling als ein Nomade.
    Als Pawel Viertklässler war, schien die Flucht beendet. Sie ließen sich in Danzig nieder, wo er nach dem Abitur Schiffs ingenieurwesen zu studieren begann, er brach das Studium aber bald ab. Dann studierte er Informatik und reiste nach zwei Jahren mit seinem Cousin nach Amerika. Dort wollten sie ein halbes Jahr Traveller sein und auch arbeiten, um sich die Dollars für die Reise zu verdienen. Der Cousin kehrte dann wie geplant zurück nach Polen. Pawel blieb.
    Die bekannte Überlebenskünstlerin Heidemarie Schwermer hatte mir die E-Mail-Adresse des Elfen weitergeleitet. Auch die Gruppe der sogenannten Schenker, Menschen, die dem Geld entsagt hatten, war klein und gut vernetzt. Heidemarie Schwermer selbst hatte auch viele Jahre auf Geld verzichtet und darüber ein Buch geschrieben: Das Sterntalerexperiment.
    Heidemarie war eine oft enttäuschte Idealistin, die als Lehrerin scheiterte, deren Ehe in die Brüche ging, die an eine Hindu-Sekte geriet, der es aber immer wieder gelang, ihr Leben zum Besseren zu ändern. Sie kurvte auf ihrem Lebensweg von einer Therapie über die nächste Therapeutenausbildung in die nächste Therapie. Sie bemerkte, »welchen übertriebenen Stellenwert bare Münze in unserem Sozialgefüge hatte«, und verzichtete mehr und mehr auf Geld. Sie verschenkte ihren Besitz und hütete fremde Häuser, wenn deren Bewohner verreist waren, und durfte sich dafür am

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