Vom Dämon versucht - Rowland, D: Vom Dämon versucht
langsam zunächst, dann entschiedener, bis ich spürte, wie sie sich knisternd um mich herumwand. Ich lachte, als ich spürte, wie die Energie mit Wellenbewegungen reagierte. Es war erst ein paar Stunden nach Sonnenaufgang, zu einer Zeit im Monat, wo Energie sehr sprunghaft war und nur schwer anzuziehen, und hier stand ich nun mit formbarer, mächtiger Energie zu meiner freien Verfügung.
Ich spielte eine Weile mit ihr und übte, sie zurück in das Diagramm zu schicken und wieder herauszuziehen, wobei ich immer besser begriff, wie die Wächter funktionierten, als ich sah, welchen Weg die Energie nahm. Ich entdeckte Möglichkeiten, wie man die Struktur verändern konnte, um die Energie noch effizienter zu speichern oder sie für andere Zwecke zu formen.
Außerdem erkannte ich, warum es sehr wahrscheinlich war, dass vorher noch niemand auf diesen Trick gekommen war. Ohne den entscheidenden Wächter, den ich bei dem Köder einsetzen musste, würde auch das hier nicht funktionieren. Und wie oft kam es schon vor, dass ein Beschwörer ein derartiges Wissen von einem Dämonenfürsten vermittelt bekam? Meine Fähigkeit, Wächter zu errichten, entsprach höchstens der eines Anfängers, aber ich sah trotzdem, dass sich nur ein Großmeister so etwas ausdenken konnte. Und Rhyzkahl hatte mir diese Kenntnisse überlassen. Kannte er auch andere Möglichkeiten, wie man sie nutzen konnte?
Zögernd entließ ich die Energie zurück in das Diagramm, dann unterbrach ich den Kontakt zu ihm und atmete tief durch, als sich die Energie in die schimmernden Wächter senkte. Der nächste Test würde darin bestehen, eine Beschwörung zu versuchen, bei der ich gespeicherte Energie benutzte. Und das würde ein gefährlicher Test werden, ermahnte ich mich. Wenn ich eine Beschwörung verbockte, würde ich nicht nur die gespeicherte Energie verlieren, sondern wahrscheinlich auch Teile meines Körpers. Ich werde mich an einen Dämon einer unteren Ebene halten, so viel steht fest. Genauso wie damals, in meinen Lehrjahren als Beschwörerin.
Aber jetzt war nicht die richtige Zeit dafür. Jetzt war es Zeit, einen Kaffee zu trinken. Ich lief nach oben und spürte plötzlich, wie Müdigkeit mich übermannte. Sicher, die Energie stand mir zur Verfügung und es war sehr viel einfacher, sie aus dem Diagramm abzuziehen als aus der Sphäre, aber es hatte mich trotzdem Mühe gekostet, die Kraft zu beherrschen, und ich fühlte mich, als hätte ich drei Reyzas auf einmal beschworen. Vergiss in Zukunft nicht, wie viel Kraft dich all das kostet.
Ich machte mich fertig für die Arbeit, dann goss ich mir einen Becher Kaffee ein und ging damit auf die hintere Veranda. Es war noch nicht einmal sieben Uhr morgens, aber ich spürte schon die aufsteigende Feuchtigkeit in der Luft. Oh ja, der Sommer in Süd-Louisiana. Eine Jahreszeit, die man einfach irgendwie durchstehen musste. Aber selbst die Aussicht auf unerträglich krauses Haar konnte meine Laune nicht schmälern. Ich wusste, dass ich mit diesem Diagramm, in dem ich Energie speichern konnte, einer großen Sache auf der Spur war. Ich hörte, wie im Haus mein Handy klingelte, aber ich hatte keine Lust, aufzuspringen und hinzulaufen. Ich hatte keinen Dienst, und ich wollte die friedliche Stimmung genießen. Ich wusste, der Anruf kam nicht vom Rehazentrum – der Nummer hatte ich einen bestimmten Klingelton zugewiesen, als ich Tessa dort hingebracht hatte. Schließlich verstummte das Handy, und ungefähr eine halbe Minute später hörte ich den Piepton, weil jemand auf meine Mailbox gesprochen hatte.
Das muss warten , dachte ich starrsinnig. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich seit Monaten nicht einen Moment der Ruhe gehabt. Immer hatte es irgendetwas gegeben, das irgendwo erledigt werden musste. Ich musste wieder in Tessas Bibliothek, ich musste mehr über die Wächter lernen, über das Arkanische und die Lebensenergie – ich musste diese Morde aufklären.
Ich musste mich entspannen und mir Zeit für mich selbst nehmen. Und wenn es nur ein paar Minuten waren.
Mein Telefon klingelte erneut, gefolgt von einem weiteren Ton, dass ich eine Nachricht auf meiner Mailbox hatte. Ich schloss meine Finger fester um den Kaffeebecher und spürte, wie ich die Schultern hochzog und meine Lippe schmollend vorschob. Das war nicht fair. Ich hatte keine Rufbereitschaft.
Dann seufzte ich. Es gab nur sehr wenige Leute, die mich wegen irgendwelcher Nebensächlichkeiten belästigen würden. Und wenn nun jemand wegen Tessa von einer
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