schmerzenden Hand, die die Kälte gleich wiedererkannte und blau anlief, weinen? Oder weinte ich wegen ihr, wegen Berenice und wie schrecklich sie sich verändert hatte, oder wegen meiner Fehler, die ich noch gar nicht kannte, oder weinte ich, weil die Hoffnung jetzt verloren war, Berenice eines Tages wiederzufinden, nicht nur im Traum, oder weil Träume immer schmolzen wie Splitter von Schnee?
Kurz: ich weinte nicht lange. Coolerhü
[email protected] holte aus. Aber leider standen wir auf rutschigem Grund, und als ich mich schon für ihre in der Luft auf mich zusausende Faust wappnete, verfolgte ihre Faust auf einmal eine ganz ungewohnte Bahn, vollführte in der Luft ein paar Schlenker, als fiele ein Sternenregen herab und sie wolle danach greifen, vielleicht hatte sie eine ganz christliche Erscheinung (so was kommt vor), die coolerhüpfer so begeisterte, daß sie mitgerissen wurde, nämlich einmal herum und dann zu Boden.
Da lag sie ungerührt im schwarzroten Haar, was, man wird es ahnen, zusammen mit dem weißen Eiswürfelschnee ein hübsches Schneewittchen abgab.
»Also Moment mal«, sagte ich, offenbar auch der einzige Wortschatz, der mir hier seit zwei Seiten zur Verfügung gestellt wird, aber dann kam noch etwas. »Könntest du mir das Ganze vielleicht erklären?«
»Erklären, erklären«, machte sie wie ein Eiszwerg.
|166| »Ja«, sagte ich, die Wände zischten, die Apfelsinen gefroren wieder in der Tüte an meiner unversehrten Hand. »Wenn ich dich darum bitte?«
»Du kannst mich mal«, sagte sie. »Du hast alles versaut. Du mit deinem Beleidigtsein.« Sie blieb einfach liegen, nackter Rücken auf Eis, ich legte eine Apfelsine dazu.
»Laß das.«
»Dann steh auf, du holst dir den Tod.«
»Ich bin tot, kapiert. Und das ist alles deine Schuld.«
»Klar«, sagte ich.
»Wie, klar?«
»Es ist meine Schuld«, sagte ich.
»Na schön. Dann weißt du’s ja. Dann brauch ich’s dir ja nicht mehr zu erklären.«
»Es ist immer jemand schuld. Man ist doch nicht so blöd und erklärt sich selbst für schuldig, wenn man auch jemand anders drankriegen kann, und manchmal ist man da eben selber dran und ist der jemand von jemand anders.«
»Miss Oberschlau«, sagte sie und rappelte sich hoch. »Darum geht’s doch nicht. Du warst es doch, die einfach nicht mehr geschrieben hat!«
Wieder stürmte sie auf mich los. Aber was zu einer spätestens unter dem Weihnachtsbaum entlarvten Wiederholung geführt hätte, wurde unvermutet abgeschwächt in eine Geste der Verzweiflung, genauer: coolerhüpfer legte mir die Hand an die Schulter. Sie sah mir in die Augen. Augen, von denen Schneewasser rann.
»Ich will dir doch nichts Böses, Hirngespinst@, wirklich. Ich mag dich. Aber ich war gerade dabei, mich zu verwandeln, und du hast es versaut. Du hast so begeistert von Berenice geschrieben, da wollte ich das auch, verstehst du, ich wollte
sein
wie sie,
sie sein
, endlich, dachte ich, endlich mal etwas, das wirklich Sinn hat, das einem |167| etwas Überdurchschnittliches, Überdimensioniertes, nein, Überirdisches gibt, etwas Heiles, Heilendes meine ich, etwas, das die Menschen glücklich macht, und auch mich, ich meine, da sitzt man jahrelang im selben Haus, in derselben Bude und kennt weder sich, noch die Nachbarn, du weißt doch, wie das ist, da draußen in so ner Kleinstadt, Doppelhaushälfte, Dreifensterhaus, da kümmert sich jeder nur um sein lahmes Leben, und was die Nachbarn stören könnte, sperren sie weg, Hunde, Kinder, Ehefrauen, damit sie keine richterlichen Verfügungen wegen Ruhestörung in die Briefkästen kriegen, und wird einer totgetreten oder entführt, interessiert das nicht, weiß ja noch nicht mal jemand davon, statt dessen bauen sie nur ihre Zäune noch höher, und dann kommst du und erzählst mir von Berenice, und wie schön und wie tröstlich und wie einfach das ist, und ich fange an, mich zu verwandeln, und als es fast soweit ist, als ich schon die entsprechende Haltung habe, wenn du so willst, die menschliche Güte oder Großzügigkeit, und alles im richtigen Rhythmus ist, ich habe es also fast geschafft, da hörst du Idiot auf zu schreiben! Man sah sogar schon die Ähnlichkeit, nur die Haare, verstehst du, die haben noch gefehlt. Ausgerechnet die Haare, die so wichtig sind. Es ist doch ein Unterschied, ob jetzt Kurzhaarschnitt oder Hochsteckfrisur!«
»Wenn ich weitergeschrieben hätte, hättest du ihre Haare gehabt? Berenices Haare?«
»Jetzt tu nicht so behindert, na logo. Ich hatte dich