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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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perfekten Manieren, dem Äußeren nach also wohl der Held dieser Geschichte, ich freute mich, ihn so schnell gefunden zu haben. Er streifte gerade lächelnd ein Paar dünne Lederhandschuhe ab. Ein verhuschter Knabe fing sie auf.
    »Was sind denn das für Komiker«, sagte der Mann am Steuer, die Verkehrssprache war wieder Englisch, »wollen zu Fuß gehen, wo seit den Indianern kein Zeh mehr diesen Boden berührt hat!« Er schob den Automatikknüppel auf »drive«.
    »Wundertag heute, ja?« sagte das Basecap, und unser |183| robuster Überlandtruck setzte sich in Bewegung. Das Basecap sprach nicht gerade lupenrein Englisch, und erst nach einer Weile kapierte ich, daß er vielleicht Wandertag gesagt haben könnte, zwischen
wander
und
wonder
war der Unterschied unwesentlich in einem Land, in dem Wandern einem Wunder gleichkam. Und dann kam noch was: »Keine gute Idee. Schon morgens war der Heilige Geist vernebelt.«
    »Wer?« sagte ich.
    »Der Heilige Geist.«
    Meine Freundin sah vergnügt zum Fenster hinaus. Sie bestand glücklicherweise nicht auf einer Übersetzung, und ich fragte das Basecap vorsichtig: »Und wo genau ist er, der Heilige Geist?«
    Aber da geriet er ganz außer sich und rief, und seine Gesichtsmuskeln zuckten: »Na da, wo das Meer ist, ihr Komiker!«
    Das schien eine für alle Beteiligten geistreiche Antwort zu sein, der Fahrer jedenfalls grinste, und beinahe hätte ich aus Solidarität mitgegrinst, hätte der Held auf dem Rücksitz nicht mit gespitzten Lippen in Oxford-Manier gesagt: »The whole coast, not the holy ghost, you guys ever learned english?! – Er kann nicht surfen, weil es heute an der ganzen verdammten Küste neblig ist.«
    Und so war es. Kaum hatte er das gesagt, verschwand die Sonne hinter feucht-grauem Dunst.
    »Dabei kann er nicht surfen, weil er’s nicht kann«, sagte der Held weiter, »das ist die verdammte Wahrheit. Das hat er nur vergessen zu sagen. Aber vielleicht hat er vergessen, daß er das, was er zu sagen vergessen hat, nur vergessen hat, weil es ihm peinlich ist. Nicht wahr? Weil er die Welle nicht erwischt, und dabei hab ich’s ihm gezeigt, Gott, wie oft hab ich’s ihm gezeigt! Aber kaum kommt die Welle, |184| kommt er nicht hoch vom Brett«, sagte der Held ruhig, als wäre ihm die ganze Sache im Grunde gleichgültig. »Hängt da wie eine schlappe Nudel, und so einer will von der Küste sein! So einer will bei mir was werden.« Der verhuschte Knabe sah schläfrig auf.
    »Meine Idee war das nicht«, sagte der Mann von der Küste kleinlaut.
    Unser Held lachte böse. »Dann hat wahrscheinlich der Heilige Geist seine Hände im Spiel gehabt! – Wir fahren am Sunset ab«, sagte er. »Kleine Stadtrundfahrt für die Mädels.«
    »Es würde reichen, wenn Sie uns vor einem Motel absetzen«, sagte ich entschlossen. Ich wäre an dieser Stelle gern ausgestiegen, die Atmosphäre gefiel mir nicht, Held hin oder her, es würde uns schon ein neuer begegnen. »Vielleicht eines, das nicht ganz so kitschig ist.«
    Wieder kam keine Antwort. Meine Freundin sah interessiert zum Fenster hinaus, und unser Miniaturpanzer bog schwankend in eine kurvige Straße ab.
    Palmenblätter wischten über die Windschutzscheibe. Es dunkelte schon. Schneemänner leuchteten zwischen Bougainvillen und blühendem Hibiskus in den Gärten auf, unser rollendes Mietshaus hatte irgendwo eine Lichterkette mitgerissen, leise schlugen die Glühbirnchen gegen den Lack.
    Der Ausgangsgedanke war eine Party gewesen. Aber ich hatte das Gefühl, allmählich veränderte sich das. Auch die Landschaft war nicht mehr dieselbe, unser
Hummer
hämmerte sich in den Fahrtwind hinein, wand sich zielstrebig Bergstraßen hinauf, und meine Freundin machte noch immer ein glückliches Gesicht.
    »Hast du ein Zauberwort, von dem ich nichts weiß?« fragte ich leise.
    |185| »Nee, du?«
    »Was grinst du dann so?«
    »Na, ick amüsier ma! – Ick bin ma echt jespannt, wie de uns da jetze wieda rausholen willst.«
    »Keine Panik, Ladies«, sagte der Held. »Wir sind gleich da. Und dann gibt’s echte Nikoläuse. Ein paar können sogar tanzen.«
    »Jefällt da dir wenigstens?« fragte meine Freundin hinterhältig. »Dein Held?« Ich ließ sie ohne Antwort im Regen stehen, auch wenn eine solche Redewendung den hier herrschenden klimatischen Verhältnissen nicht entsprach.
    Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Ich sah schon die ganze
family
ungeduldig unter dem Weihnachtsbaum »Mach mal voran!« rufen und auf den Boden trommeln,

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