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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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fühlen sie sich erfrischt. Aber was ist mit Menschen, die nicht zuversichtlich sind. Menschen, deren Zuversicht versickert ist. Sie weinen, aber es ändert nichts, es regt weder den Stoffwechsel an, noch beeinflußt es die seelische Lage. Wie soll es Erleichterung verschaffen, wenn man es nicht mal bemerkt?
    Auch der Makler mit seinem großzügigen Angebot ändert die Lage nicht, ganz egal, welches Motiv dahintersteckt. Und meine Rechnungen habe ich noch immer selbst bezahlt!
    Wenn ich das Angebot überhaupt annehmen sollte, dann nur vorübergehend. Es wird eine Leihgabe sein, bis das Haus verkauft ist, selbst, wenn es ein, zwei Jahre dauern sollte, was gut möglich sein könnte, da es sich nur um die Hälfte eines Hauses handelt.
    Irgendwo läuten Glocken. Irgendwo wird jetzt der Stollen |177| angeschnitten, irgendwo wünscht man sich ein frohes Fest. Und schon wieder kommen die Geister.
    Vielleicht läßt sich diesem Tag noch ein Sinn abtrotzen, wenn ich Fotos vom Haus mache. Fotos, die der Makler auf eine Webseite stellen kann. Vielleicht ist es von Vorteil, die Fotos zu Heiligabend zu machen. Noch ist es nicht ganz dunkel. Das Wohnzimmer mit dem Tannenbaum sieht festlich aus. Die Kerzen wurden mit großem Aufwand gleichmäßig ringsum an die Zweige geklammert. Vielleicht ist es von Vorteil, weil Weihnachten den Leuten die Sinne vernebelt und sie ausnahmsweise auf den Bildern das entdecken, was sie an früheren Wohnungen geliebt haben, statt wie sonst nur auf die alten Fehler zu stoßen. Im silbernen Lametta, in dem sich das Licht fängt, ist es leicht, geisterhaft versunkene Kinder geisterhafte Geschenke auswickeln zu sehen, ihre zuckenden Münder, das scheue Aufblicken, ob die anorexische Puppe oder der lang ersehnte Killer-Gameboy auch wirklich ihnen gehört.
    Und die Frau sitzt in ihrem langen roten Rock unter dem Baum und hilft den Kindern beim Aufwickeln der Geschenkbänder, dem einen beim Anprobieren eines neuen Schlafanzugs, der anderen beim Buchstabieren eines schwierigen Wortes in der Gebrauchsanleitung einer neuen Uhr –
    Das führt nirgendwohin.
    Mein Hemd ist beim Stutzen der Äste harzig geworden. Ich hätte eines der alten anziehen sollen. Seit es neben der Waschmaschine auf dem Fußboden liegt, riecht das ganze Bad nach Wald.
    Wenn ich die Fotos jetzt machen würde, gäbe es einen Grund, den Stecker des Tannenbaums einzustecken und festzustellen, ob das Schmücken gelungen ist.
    Sobald ich zur Tür gehe, befällt mich Angst. In der Nähe |178| der Klinke fängt die Hand wieder an, sich unkontrolliert zu bewegen.
    Ich halte diese Angst für übertrieben.
    Ich halte sie für verfrüht.
    Ich werde oben bleiben. Ich werde mich in den Sessel setzen. Ich werde nicht daran denken, was draußen passiert und was früher passierte, ich werde nicht daran denken, was war.
    Ich werde der langsam einbrechenden Dunkelheit zusehen und versuchen, reglos zu sein wie die Tiere. Ich werde eines der Videobänder einlegen und mich auf ARS Stimme konzentrieren. Es sind die Stimme und ihre Augen, die einen vergessen lassen, daß vor dem Fenster eine Welt existiert.
    Whoever speaks to me in the right voice. Whoever speaks to me.

|179| In die Wüste geschickt
    Von Jahr zu Jahr steigen die Ansprüche.
    Zuerst heißt es noch:
Versuchs mal mit dem Schreiben
. Aber dann heißt es gleich:
Wie? Du kannst keine spannende Geschichte erzählen, die zum Lachen bringt, eine, die romantisch das Herz anrührt, noch nie erzählt worden ist und auf einer wahren Begebenheit beruht, mit einem positiven Helden, mit dem man mitfiebern kann und der Weisheiten von sich gibt, wie man sie noch nie gehört hat, so daß man am Ende noch was lernt? Aber du weißt doch jetzt, wie es geht!
    Und schon ist die Weihnachtslesung unter dem Tannenbaum nicht mehr wegzudenken. Alle machen es sich nach Ragout Fin und Obstsalat mit Decken und Kissen auf dem Boden bequem und schauen mich abwartend an. Und ich muß dann auf einem harten Stuhl platznehmen, weil sich das so gehört für die Vorleserin, den Rücken gerade, die Füße artig nebeneinandergestellt, fehlt nur noch der Dutt. So jedenfalls hat mein Bruder das in einem seiner geerbten, noch aus den fünfziger Jahren stammenden Kinderbücher gesehen, und ganz genau so soll ich es machen, weil Weihnachten eben ein Fest der ewigen Kindheit ist und jemand wie Pipi Langstrumpf in seiner Kindheit nicht sehr verbreitet war.
    |180| Durch die gestiegenen Ansprüche taucht die Angst zu versagen jetzt schon im

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