Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
glaube, das ist nur ein Grund. Kannst ihn ja selber fragen.«
Die Wohnblocks in Sherman Oaks sahen für mich praktisch alle gleich aus mit ihren Eisenzäunen und demselben Gemeinschaftspool, und sogar noch nach einem Jahr dauerte es einen Moment, bis ich wieder wusste, in welchem ich wohnte. Mir fiel auf, dass der Müllcontainer davor voll mit Klamotten und einem Stuhl war, dazu die Teile einer zerdepperten Kommode und ein Haufen Schuhe, eine ziemlich gute Rock-Sammlung und ein paar Basketball-Poster. Das alles gehörte mir. Marcus hatte meinen ganzen Kram weggeschmissen.
Ich klingelte ein paarmal, dann kam Marcus an die Tür, bloß ein Handtuch um die Hüften. Auf der ganzen Brust hatte er Rasiercreme.
»Hi, Marcus.« Ich versuchte, ihn anzulächeln, aber er sah mich gar nicht an. »Julia, das ist mein Bruder Marcus.«
»Freut mich echt, dich kennenzulernen.« Julia strahlte ihn an und hielt ihm die Hand hin. Marcus war nicht freundlich gestimmt, aber er schüttelte sie trotzdem.
»Du hast gestern hier angerufen«, sagte er.
»Stimmt.«
»Du bist Alvins Freundin.«
»War ich mal. Aber deshalb bin ich nicht hier.« Julia kicherte. Aus irgendeinem Grund benahm sie sich Marcus gegenüber ganz jung. »Joe hat gemeint, ich könnte vielleicht mal deinen Computer benutzen. Ich wollte nachsehen, ob ich einen früheren Flug kriege.«
»Aber Joe wohnt hier nicht mehr. Wie könnte er da Gäste einladen?«
»Sei bitte nicht sauer auf ihn. Er ist die Nacht wegen mir weggeblieben, weil ich Angst hatte, allein zu sein. Aber er hat sich die ganze Zeit Sorgen wegen dir gemacht. Er wollte dich nicht hängen lassen.«
Marcus verschränkte die Arme und sah mich zum ersten Mal an. »Was war? Ist dein großer Plan mit Alvin ins Wasser gefallen?«
»Wie ist dein Spiel gestern Abend gelaufen, Marcus?«, fragte ich.
»Heiß umkämpft. Aber wir haben gerade noch einen Drei-Punkte-Sieg geschafft.«
»Bestimmt gehen jede Menge Punkte auf dein Konto.«
»Ich hab in den letzten Sekunden einen entscheidenden Rebound gemacht.«
»Das ist ja super. Sollen wir jetzt alle mal reingehen?«
Marcus wandte sich an Julia. »Joe meint, vier Sekunden schmeichlerischer Small Talk könnte die unglaublichen Respektlosigkeiten, die er meiner Gastfreundschaft bezeigt, einfach so wegwischen. Er glaubt, er hat eine Art Naturrecht, in meiner Wohnung mietfrei zu wohnen und dabei alles zu missachten, was ich sage. Aber er erkennt nicht, dass es jetzt zu spät ist. Ich bin schon dabei, sein Zimmer in einen privaten Fitnessraum zu verwandeln.«
»Das macht nichts«, sagte ich. »Ich kann überall schlafen.«
»Warum sollte ich das tun, Joe?«
»Ist das dein Ernst?«, sagte Julia. »Wo soll er denn schlafen?«
»Das hätte er sich überlegen sollen, als er gestern weggelaufen ist.«
»Du setzt deinen eigenen Bruder vor die Tür?«
»Ich habe ernste Zweifel, dass du auch nur annähernd eine Vorstellung von Joes unglaublichen Respektlosigkeiten gegen jeden um ihn herum hast. Ich habe mein Ultimatum sehr deutlich formuliert, und er hat sich entschieden, es zu ignorieren.«
Während Marcus auf diese sehr gemeine und überhebliche Weise auf Julia einredete, lächelte sie ihn nur an. Dann sah ich, dass ihm eine Idee kam. Er grinste mich an. »Na gut, ich sag dir was. Wenn du jetzt gleich mit mir Basketball spielst, kannst du wieder einziehen.«
»Jetzt gleich?« Mit Marcus Basketball spielen war so ungefähr das Letzte, worauf ich Lust hatte, aber ich hatte auch keine Lust, in der nächsten Nacht auf der Straße zu schlafen. Er war ziemlich aufgeregt, als ich einwilligte. Ich glaube, er hatte richtig viel trainiert.
»Sollte ich auch nur ein bisschen weniger als maximalen Einsatz feststellen, ist die Vereinbarung nichtig.«
Er zog die Tür auf, und wir folgten ihm hinein; überall stapelten sich Gewichte, Bauwerkzeuge und Gerümpel.
»Anscheinend habe ich gewusst, was für ein Weichei ich sein würde, wie leicht ich einknicken würde – weil ich dein Bett noch nicht entsorgt habe. So hart ich für mein Verantwortungsgefühl der Familie gegenüber auch bestraft werde, ich kann es offenbar doch nicht rausschmeißen.« Er wandte sich an Julia. »Die schlichte Höflichkeit gebietet, dich zum Abendessen mit uns einzuladen, aber dieses Basketballspiel könnte eine Weile dauern. Solange du wartest, darfst du den Computer in der Küche benutzen. Wir haben auch eine hervorragende Sammlung DVD s, und solltest du lieber lesen wollen, wirst du die Regale
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