Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Nasenspitze. Ich dachte, wenn ich zu ihr hinging und sie mitten auf die Stirn küsste, würde das vielleicht ihr ganzes Gesicht glätten, so wie man ein Handtuch ausschüttelt. Aber während ich noch überlegte, ob ich es denn nun tun sollte, schlief ich ein.
Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil Julia wieder redete. Sie lag auf dem Rücken und bewegte Arme und Beine, als würde sie eine Leiter hochsteigen. »Was machen wir denn jetzt?«, sagte sie. »Ich hab einfach keinen Schimmer, wie ich damit umgehen soll.«
»Was ist los?«
Sie setzte sich total ruhig im Bett auf. »Wer macht morgen Frühstück? Das will ich wissen. Was sollen wir denn essen?« Da kriegte sie wieder Panik und schwang die Arme schneller. Ich stand auf und ging zu ihr, um sie zu beruhigen.
»Wir könnten zu McDonald’s«, sagte ich. »Oder wir gehen wieder zu dem Diner. Wir können überallhin, wo du willst.«
»Das wird zu spät. Wir hätten es früher planen sollen.« Sie hatte die Augen weit aufgerissen, aber sie sah nichts Bestimmtes an, starrte nur durch die Wand vor ihr, als wäre die gar nicht da. Mir wurde klar, dass Julia immer noch schlief. Das hatte ich auch manchmal bei Marcus beobachtet, aber wenn er im Schlaf redete, sagte er nicht mehr als ein paar Wörter, und man verstand ihn nie. Julia war anders. Sie sagte viel, und man verstand alles bestens, und sie sagte einem Sachen, die sie im Wachsein nie sagen würde.
»Ich verspreche dir, wir werden genug zu frühstücken haben«, sagte ich. »Jeder wird genug zu essen bekommen.«
»Ich begreife nicht, wie ihr beide Brüder sein könnt.«
»Wer, Alvin und ich?«
»Wie kannst du sein Zwilling sein, wo du so viel stärker bist als er?«
»Keine Ahnung. Ich war schon immer richtig stark.«
Sie hörte nicht auf zu fuchteln, und die Laken waren ganz zerwühlt. »Welchen Plan genau haben wir fürs Essen morgen früh? Das sagt mir keiner.«
»Ich sag’s dir jetzt.«
»Es ist ja nicht so, dass ich die ganze Verantwortung dafür will. Aber wenn ich mir keine Gedanken mache, wer dann?«
»Ich mach das schon. Du schläfst doch, Julia. Versuch einfach, die Augen wieder zuzumachen.«
Sie hörte nichts von all dem, was ich sagte, doch der Klang meiner Stimme schien sie zu beruhigen. »Ich mach das schon«, sagte ich noch einmal und redete dann ganz sanft weiter, bis sie sich nach und nach nicht mehr so viel bewegte. Schließlich lag sie vollkommen ruhig da und schloss die Augen. Ich stopfte die Laken wieder rein, dann küsste ich sie auf die Stirn, was ich schon den ganzen Tag gewollt hatte, worauf sie die weitere Nacht ohne zu reden schlief.
3. Kapitel
Als ich aufwachte, war es schon Nachmittag, und Julia kam gerade aus dem Bad, in so ein großes, flauschiges Badetuch gewickelt. Sie hatte ganz nasse Haare und roch nach Shampoo. »Aufstehen, Joe. Wir haben fast zwölf Stunden geschlafen.«
»Was ist los?«
»Sollen wir nicht mal sehen, ob dein Bruder Marcus dich wieder reinlässt?«
Das war das Allerletzte, was ich wollte, aber ich sah keinen Ausweg. Ich zog mich an und gab Alvins Hund was zu fressen, dann fuhren wir mit dem Fahrstuhl runter und stiegen ins Auto. Julia erwähnte nicht, dass sie in der Nacht im Schlaf gesprochen hatte. Ich glaube, sie hatte einfach keine Ahnung davon.
An dem Morgen fiel mir das Fahren noch leichter als am Tag davor. Unterwegs wollte Julia wissen, warum Alvin und Marcus einander hassten. Mir fiel als Antwort nichts Großartiges ein. Ich erinnerte mich nur an das eine Mal, als unser Onkel Ruby eine alte Frau einstellte, die uns Italienisch beibringen sollte. Alvin, Marcus und ich saßen den ganzen Tag mit ihr rum und versuchten, diese bunten italienischen Illustrierten zu lesen, und die alte Frau half uns nie dabei, weil die Sprache, wie sie sagte, natürlicher käme, wenn wir sie selbst entdeckten. Nach ein paar Wochen merkten wir, dass sie überhaupt kein Italienisch sprach. Das fand Alvin super. Genau solche Sachen machten Alvin richtig glücklich. Marcus dagegen hatte ein Riesenproblem damit und erzählte es unserem Onkel. Als unsere Italienischlehrerin darauf gefeuert wurde, war Alvin so sauer, dass er mit Marcus ein Jahr lang nicht geredet hat. Ich war überrascht, dass mir diese Geschichte da im Auto mit Julia einfiel, denn bis dahin hatte ich nicht mehr daran gedacht.
»Aber wie lange ist das denn her?«, fragte sie.
»Da waren wir noch ganz klein.«
»Und das war’s? Deshalb kommen sie immer noch nicht miteinander aus?«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher