Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
sie denn jemanden von diesen Leuten kennen? Andererseits –« Sie runzelte die Stirn und rieb sich die Schläfen. »Was weiß ich schon? Ich bin ja kein Experte. Wie kann ich mir da ein Urteil erlauben? Wie kann ich sagen, dass die Angestellten von McDonald’s einander alle nicht kennen? Vielleicht gibt es ja jedes Jahr einen Riesenausflug, wo das große Bruderschaftstrinken stattfindet. Womöglich gibt es ja auch eine Community-Seite. Hast du manchmal das Gefühl, dass du zwei Stimmen im Kopf hast, die ständig miteinander streiten?«
Ich wusste nicht mal richtig, ob ich auch nur eine Stimme hatte, aber ich wollte nicht, dass Julia glaubte, sie würde allmählich verrückt werden. »Ab und zu mal«, sagte ich.
Wir fuhren den ganzen zweiten Tag, ohne nach Tennessee zu kommen. Ich hatte keine Ahnung, dass es so lange dauern konnte, um wohin zu fahren. Als es dunkel wurde, tankten wir, und Julia sah das Schild einer Raststätte, die C’mon Inn hieß, ein Name, den sie richtig gut fand. Also beschlossen wir, dort zu übernachten.
Nach und nach merkte ich, dass jedes Motel auf der Welt anders war. Das C’mon Inn war eher wie ein Haus als die beiden Motels, die ich in Los Angeles gesehen hatte. Es gab eine Badewanne, einen Flachbildfernseher und sogar einen Minibackofen. Wir gingen eine Straße weiter zu einem kleinen Supermarkt und kauften eine Tüte Peperoni, Bagels und geriebenen Käse, und dann machte Julia in dem Minibackofen kleine Bagel-Pizzas. Teller gab es in dem Zimmer keine, also aßen wir von einem der Badetücher, das andere teilten wir uns als Serviette.
Ich kann mich fast an alles von dieser Nacht erinnern. Nach dem Essen schlug Julia mich eine Weile beim Poker, dann sahen wir ein bisschen fern, eine spannende Sendung mit Leuten, die alle berühmte Köche werden wollten, und danach klappten wir das Schlafsofa für mich aus. Während Julia sich im Bad das Gesicht wusch, legte ich mich hin und testete das Bett. Ich spürte noch immer Metallstreben unter der Matratze, trotzdem war es bequemer als das letzte, auf dem ich geschlafen hatte, vielleicht war ich aber auch nur müder. Es dauerte einige Minuten, bis ich meine Kissen im Schrank gefunden hatte, und ich schüttelte sie gerade zurecht, als Julia aus dem Bad kam. Sie trug dieselben weißen Shorts wie in der Nacht davor, und sie hatte ihren glänzenden Lipgloss drauf, der wie ein Kirschbonbon roch. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie da drin die Zähne geputzt hatte, aber ich weiß noch, dass sie auch Kaugummi kaute.
»Ich glaube echt, dass ich mich an dich gewöhne«, sagte sie.
»Das hoffe ich.«
»Okay. Gute Nacht, Joe.«
Julia kam zu mir und umarmte mich. Ich legte ihr die Hände auf den Rücken und drückte sie an meine Brust in der Erwartung, dass sie gleich losließ. Aber sie ließ nicht los. Es war das fünfte Mal, dass ich sie berührt hatte, und bei zweien der anderen Male hatten wir uns nur die Hand gegeben, aber das hier dauerte jetzt bei Weitem am längsten. Es kam mir vor wie eine Stunde. Vielleicht waren es auch nur ein paar Sekunden. Keine Ahnung, wie lange es dauerte. Gerade als ich dachte, dass sie mich nun loslässt, drückte sie mich noch fester und sagte: »Ich bin jetzt so viel ruhiger.«
»Das ist gut.«
Plötzlich löste sie sich von mir, lächelte und wurde ein bisschen rot. Dann blies sie mir auf die Augen. »Du hast geblinzelt«, sagte sie.
Und gerade als mir klar wurde, dass wir uns gleich küssen würden, küssten wir uns auch schon. Eigentlich hatte keiner damit angefangen. Wir kamen einander einfach näher, und dann passierte es. Ich glaube, ich hatte schon im Sinn gehabt, Julia zu küssen, seit ich sie zum ersten Mal in der Lobby von Alvins Hotel gesehen hatte, aber ich hatte keine Ahnung gehabt, wie es wäre, und konnte es mir auch unmöglich vorstellen, weil ich noch nie die Zunge eines anderen Menschen gespürt hatte. Ihre Lippen schmeckten nach Kirsche, aber ihr Mund war minzig. Einmal lachte sie, als ich aus Versehen ihren Kaugummi verschluckte. Von allem, was ich bis dahin in meinem Leben unternommen hatte, war mir das jetzt schon das Liebste. Ich küsste sie vielleicht fünf Minuten lang, dann legten wir uns auf ihr Bett und küssten weiter.
»Mir ist kalt«, sagte sie. »Wärm mich.«
Wir kuschelten uns unter ihre Decke, und ich legte das Gesicht an ihre Brust. Ihr Hemd roch immer noch nach Bagel-Pizza. Sie presste sich wieder an mich, diesmal fester. Dann wand sie sich aus meinen Armen und machte
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