Vom Geist der Dorsai
Amanda. „Aber ob ich nun zurückkomme oder nicht: Die Gruppen müssen dazu bereit sein, gegen die Eskorte deCastries und alle anderen Truppenteile vorzurücken, die nach Cletus ausgeschickt werden, sobald er in Foralie eingetroffen ist. Mit der gleichen Entschlossenheit, mit der sie Cletus festsetzen wollen, um gegen ihn zu verhandeln, müssen wir uns um seine Sicherheit bemühen – und wir wollen deCastries lebend, nicht tot. Wenn sich erst der größte Teil der anderen Distrikte befreit hat, brauchen wir ein Faustpfand für Verhandlungen. Cletus weiß sicher, wie man deCastries zu diesem Zweck einsetzen kann.“
„Wenn wir keinen Kontakt mit Ihnen aufnehmen können und es Zeit wird, zum Angriff überzugehen, sollen wir dann so lange warten, bis Eachan zu uns stößt und das Kommando übernimmt?“
„Nur dann, wenn Sie und die anderen Senioren der Ansicht sind, es sei noch nicht allzu dringend. Wird die Zeit knapp, so zögern Sie nicht – gehen Sie auf sich allein gestellt vor.“
Ramon nickte.
„Ich schaue auf dem Rückweg noch einmal bei Ihnen vorbei“, sagte Amanda. Daraufhin ließ sie ihren Gleiter emporsteigen und lenkte ihn den Hang jenseits der Hügelkuppe hinunter, um sich der Stadt von der anderen, flußabwärts gelegenen Seite her zu nähern.
Hinter einem weiteren Höhenzug hielt sie kurz an, um ihre Hand-Ergschleuder zu verstecken, und bog dann auf die Uferstraße ein, wo sie kurz darauf auf einen mit Regenschutz ausgerüsteten Wachtposten der Allianz-Koalition stieß, etwa fünfhundert Meter hinter dem Manufakturat. Sie steuerte den Gleiter direkt auf ihn zu und ließ ihn fünf oder sechs Meter vor ihm zu Boden sinken. Er richtete die Mündung seines Konusgewehrs auf sie, als er auf sie zuschritt.
„Ziehen Sie das Gewehr dort aus dem Futteral, gnä’ Frau“, sagte er und deutete mit einem Nicken auf die Schrotflinte. „Und dann geben Sie es mir – mit dem Kolben voran.“
Sie gehorchte.
Er klemmte das Konusgewehr unter den einen Arm, um die schwere Schrotflinte mit beiden Händen zu halten. Er betrachtete die Waffe prüfend, blickte in den Lauf hinein und gab sie ihr zurück.
„Das ist kaum mehr als ein Spielzeug, gnä’ Frau.“
„Ach ja?“ Amanda hielt die Flinte, die sie gerade zurückerhalten hatte, in der Armbeuge und schwang sie nun horizontal herum, bis die Mündung gegen die Abdeckplatte zwischen ihr und der Ablage stieß. Direkt dahinter befand sich der Generator. „Was wäre, wenn es mir in diesem Augenblick in den Sinn käme, den Abzug zu betätigen?“
Sie sah, wie seine Züge einfroren, gefangen zwischen Verblüffung und Unglauben.
„Daran haben Sie nicht gedacht?“ fragte Amanda. „Die Schrotkörner aus dieser Waffe können den Kraftwandler mit soviel kinetischer Energie überlasten, um ihn detonieren zu lassen und Sie und mich zerfetzen. Bei Ihrem Fahrzeugpark könnte ich eine Kettenreaktion aus Explosionen auslösen, die Ihre gesamte Ausrüstung an Gleitern und Schwebern und Stabswagen vernichten würde. Haben Sie diese Möglichkeit berücksichtigt?“
Er starrte sie noch einen weiteren Augenblick lang geschockt an, dann kam wieder Bewegung in sein Gesicht.
„Vielleicht halten Sie es jetzt für besser, das Gewehr doch zu beschlagnahmen?“
„Nein“, erwiderte er. „Ich glaube nicht, daß Sie die Absicht haben, Selbstmord zu begehen, auch dann nicht, wenn Sie irgendwie in die Nähe unseres Fahrzeugparks gelangten – was man dort gewiß nicht zuläßt.“
Er hustete.
„Aus welchem Grund möchten Sie in die Stadt, gnä’ Frau?“
„Ich bin Amanda Morgan, Bürgermeister von Foralie-Stadt“, antwortete sie. „Das ist mein Grund. Und wegen dieses Amtes, das ich bekleide, hat mich Ihr befehlshabender Offizier zu sich bestellt. Versuchen Sie nicht, mir weiszumachen, man hätte Ihnen keine Beschreibung und kein Bild von mir gegeben.“
„Sie haben recht“, sagte er. Er hustete, ließ sein Gewehr ein wenig sinken und wischte sich die Feuchtigkeit von der Wange, die gerade von seiner Regenkapuze heruntergetropft war. Er hatte ein schmales, junges Gesicht. „Sie sollen ihn unverzüglich aufsuchen.“
„Warum dann dieser ganze Unfug hier?“
Er seufzte schwach.
„Befehle, gnä’ Frau.“
„Befehle!“ Sie blickte ihn prüfend an. „Es scheint Ihnen nicht besonders gutzugehen.“
Er schüttelte den Kopf.
„Es ist nichts von Bedeutung, gnä’ Frau. Sie können passieren.“
Sie ließ ihren Gleiter in die Höhe steigen und schwebte an ihm
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