Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
nicht der richtige Abend, ihr von meiner Begegnung mit meinem absoluten Traummann vorzuschwärmen.
VII
Am nächsten Mittwoch hatte ich größte Eile. Eine Patientin mit geschwollener Backe war noch ins Wartezimmer gestürzt, gerade als Schwester Mathilde die Eingangstür zusperren wollte. Also noch einmal hinein in die weißen Klamotten und aufs Röntgenbild warten. Der Zahn war schwarz vor Karies und stand völlig unter Eiter. Da gab es keine andere Wahl: Ich musste ihn ziehen. Zum Glück ging die Extraktion reibungslos vonstatten.
Wieder umziehen – ich nahm mir nicht die Zeit, die Haare neu aufzustecken. Warum trug ich bloß noch immer diese unpraktische Frisur? Peter hatte sie so gern gemocht. Mich erinnerte sie jetzt an meine alte Lehrerin. Ihn hatte sie an seine Mama erinnert. Warum habe ich das eigentlich früher schmeichelhaft gefunden?
»Auf Wiedersehen, Schwester Mathilde.«
Mathilde war ausgebildete Krankenschwester und schon seit Jahren meine rechte Hand. Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, so eine loyale, kompetente und umsichtige Mitarbeiterin zu haben.
Ich stürzte zur U-Bahn. Carla würde sicher schon auf mich warten. Und sie hasste es, wenn man sie warten ließ. Dann war sie unleidlich. Und das konnte ich nicht brauchen. Ich war selbst nicht gerade fröhlich. Was hatte ich lautstark verkündet? Ich suche mir einen Mann! Ha, was für eine tolle Idee! Und wie sollte das gehen, bitte schön? Wenn mir ein Mann nicht aus dem Kopf ging, der fest liiert war? Und von dem ich überdies weder Namen noch Adresse kannte. Und wo fand ich einen anderen? Über ein Zeitungsinserat nicht – das war klar. Bars konnte ich auch vergessen.Und wo sollte ich sonst einen Mann kennen lernen? Hier in der U-Bahn vielleicht? Ha, lachhaft. Hier beachtete einen sowieso keiner. Jeder hatte genug mit sich selbst zu tun. Was hatte ich neulich in einer Hochglanzillustrierten gelesen: »Sie suchen einen Mann? – Kein Problem! Setzen Sie sich doch einfach in einen Waschsalon, dort tummeln sich die Junggesellen.«
Ach ja? Und, wo bitte gab es einen Waschsalon? Ich kannte nur Wäschereien, in denen man seine Wäsche abgeben konnte. Und ein paar Tage später frisch gebügelt zurückbekam. Außerdem hatte ich starke Zweifel, dass Männer wie der gut aussehende Unbekannte aus dem »Roberto« wirklich im Waschsalon ihre Unterhosen waschen würden. Diese Männer hatten sicher eine Putzfrau. Und eine eigene Waschmaschine. Und was gab es da noch für einen »absolut sicheren« Tipp in den Illustrierten? Ach ja: »Stellen Sie sich samstags ans Tiefkühlregal eines Supermarkts! Beobachten Sie in aller Ruhe die Käufer. Kauft ein Mann eine Familienpackung gefrorenes Gemüse – Finger weg!! Der hat Frau und Kind zu versorgen. Kauft er hingegen eine kleine Packung Sugo für Spaghetti – Bingo! Ein Single!«
Toll! Wirklich ganz einfach. Und was hatte ich von dieser Weisheit? Sollte ich etwa auf so einen Mann zustürzen und fragen: »Süßer, essen wir die Spaghetti bei mir oder bei dir?« Undurchführbar. Zumindest für mich.
Warum sah der Mann dort drüben ständig zu mir herüber? Jetzt lächelte er auch noch. Hatte ich etwa einen Fleck auf der Nase? Blut von meiner letzten Patientin? Das hätte mir ähnlich gesehen. Obwohl: Ich hatte doch noch einen Blick in den Spiegel geworfen, bevor ich gegangen war. Und da war an meinem Aussehen nichts Besonderes zu bemerken gewesen. Am besten war’s, den Mann nicht zu beachten. Ich drehte mich um und tat, als würde ich die bunten Fahrtrouten der U-Bahn über dem Ausgang studieren.
Endlich kam meine Haltestelle. Ich sprang aus der Bahn, hetzte die Rolltreppe nach oben, überquerte die stark befahreneStraße und erreichte die Hotellobby zwanzig Minuten nach der vereinbarten Zeit. Carla zu übersehen, war unmöglich. Sie stand am Rande einer größeren Menschenansammlung und blickte strafend auf die Uhr.
»Entschuldige, bitte!«, schnaufte ich und küsste die Luft neben ihren Wangen. »Zuerst musste ich einer Schmerzpatientin einen Zahn ziehen. Und dann kam minutenlang keine U-Bahn.« Ich blickte mich um: »Wo ist jetzt das spanische Buffet, zu dem du eingeladen bist?«
Die Halle war in Rot und Gelb dekoriert. Bilder spanischer Städte und Sehenswürdigkeiten zierten die Wände der Rezeption. Die Kathedrale von Sevilla hing etwas schief.
In diesem Augenblick setzte sich die Menschenmenge in Bewegung. Eine Flügeltür war geöffnet worden und gab den Blick frei auf einen Saal,
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