Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Die Tage, an denen sich mein Atem in der Abendluft abgezeichnet hatte, waren vorbei. Ich sollte viel öfter mit den Jungs joggen gehen. Es tat mir so gut. Und wenn die letzten Reste des Rollsplitts wieder von Gehsteigen und Wegen verschwanden, dann würde ich auch meine Inlineskates wieder aus dem Keller holen. Darauf freute ich mich. Es war jedes Jahr das Zeichen dafür, dass wir den Winter endgültig besiegt hatten und der warmen Jahreszeit entgegensteuerten.
Von einem der Seitenwege kam ein Hund auf uns zugelaufen. Natürlich ohne Leine. Wozu stellten die Behörden eigentlich Verbotsschilder auf? Dieses Tier war freundlich. Sein Schwanz wedelte freudig. Sein graues Zottelfell war mir vage bekannt. Und die tiefe Stimme auch, die gleich darauf ertönte: »Norbert, hierher!«
Nun wurde auch der einsame Jogger sichtbar, der in flottem Tempo direkt auf uns zugelaufen kam. Er hatte eine warme Wollmütze bis über beide Ohren gezogen. Doch das Grinsen kannte ich sofort. Gregor Neuhof, der Architekt.
»Oh, hallo!«, rief er erfreut, als er mich sah. Er drosselte sein Tempo und schloss sich unserer kleinen Gruppe an. Norbert lief wedelnd neben uns her.
»Guten Abend.« Ich merkte, dass ich schnell ins Schnaufen kam, wenn ich sprach. Und beschloss, langsamer zu werden. Schließlich sollte man sich ja während des Laufens unterhalten können, wie Experten empfahlen. Wenn ich auch nicht genau wusste, worüber ich mit ihm sprechen sollte.
»Ist es nicht schön, dass es wieder wärmer geworden ist? Wenn’s zu kalt ist, macht’s keinen richtigen Spaß.« Herr Neuhof nahm mir die Worte aus dem Mund.
Tim warf ihm einen skeptischen Blick zu: »Kennen wir dich?«
Gregor Neuhof schien diese forsche Frage nicht zu stören: »Nein. Ich bin Gregor. Mein Hund Norbert kennt euren Pudel.«
»Aha.« Diese Erklärung schien den Jungs auszureichen. »Ich bin Tim. Das ist Sebastian. Und Mam kennst du ja schon, wie es scheint. Läufst du oft hier im Park?«
Die drei schienen nicht zu merken, dass ich langsamer geworden war, und liefen bald, in ein fröhliches Gespräch vertieft, vor mir her. Sie waren alle drei etwa gleich groß. Alle über einen Meter achtzig. Meine Söhne waren recht groß für ihr Alter. Von hinten konnte man den Altersunterschiednicht erkennen. Sie hatten alle trendige Sportkleidung an und liefen fast im Gleichschritt. Ich merkte, wie es meine Söhne genossen, sich mit einem erwachsenen Mann zu unterhalten. Noch nie war mir so stark bewusst, wie sehr meine Partnerwahl sich auch auf meine Jungs auswirken würde, wie in diesem Augenblick. Von einem Mann wie Gregor Neuhof wären sie sicher begeistert. Aber den Gefallen konnte ich ihnen nicht tun. Für mich kam kein Mann in Frage, der jünger war als ich. Ich brauchte etwas Älteres, Gesetzteres, einen Gentleman alter Schule. Dennoch, obwohl ich das wusste: Gregor Neuhof hatte einen sexy Hintern, das musste ich ihm lassen. Norbert kam zu mir und stupste mich sanft. Ich tätschelte seinen Kopf und hatte auf einmal keine Angst mehr vor ihm. Einmütig trabten wir den dreien nach.
Als wir nach einer knappen Stunde wieder vor unserer Haustür standen, verabschiedete sich Gregor Neuhof mit einem kurzen Winken. Norbert schien zu überlegen, ob er nicht doch bei uns bleiben sollte. Entschloss sich aber dann – nach einem kurzen Pfiff seines Herrchens –, diesem zu folgen.
»Netter Kerl«, sagte Tim, als ich die Haustür aufschloss.
»Coole Schuhe«, sagte Sebastian, was bedeutete, dass er die Ansicht seines Bruders teilte.
Ich ging unter die Dusche. Bald darauf saßen wir drei einträchtig in der Küche bei heißem Tee und den Resten des Mittagessens. Sebastian erzählte von der Schule. Tim vom Turnunterricht. Die einzigen Schulstunden, die ihn wirklich interessierten. Eine verpatzte Torchance beim Fußballspiel bereitete ihm größeres Kopfzerbrechen als eine schlechte Note in Mathematik. Und dann zogen sie von dannen, um im Fernsehen die Verleihung irgendwelcher MTV Awards anzusehen.
Endlich Zeit, mich an meinen Laptop zu setzen. Ich stellte eine Tasse grünen Tee auf meinen Schreibtisch und startete den Computer. Wie von selbst loggte ich mich ins Internet ein. Ich weiß, ich hatte mir eisern vorgenommen: »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.« So hatte es mir Mutter stets gepredigt. Und ihre Schwester, Tante Hildegard, die uns immer zu den Feiertagen besuchte (heimsuchte?), ebenfalls.
Doch siehe da: Meine Mutter hatte keine Macht mehr über mich. Und Tante
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