Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Stefan an. Ich hatte mich nicht geirrt. Ein feines Lächeln erschien auf seinen markanten Gesichtszügen: »Das freut mich«, sagte er schlicht, »wenn es Ihnen recht ist, hole ich Sie um Viertel vor acht ab? Ihre Adresse kenne ich ja jetzt.«
Ich stimmte mit Freuden zu und konnte den nächsten Samstag kaum erwarten.
Vor meinem Haus angekommen, stellte er den Wagen ab. Von Peter wusste ich, dass es nun hieß zu warten. Warten, bis mein Kavalier um das Auto herumgegangen war, um mir die Tür aufzuhalten. Alles andere wäre undamenhaft gewesen. Nicht, dass sich Peter in all unseren Ehejahren immer an diese gesellschaftliche Gepflogenheit gehalten hätte. Aber in den Anfangsjahren unserer Beziehung, da hatte er sehr wohl darauf bestanden.
Ich ließ mir also aus dem Fahrzeug helfen und reichte Stefan dazu die Hand. Er ließ sie nicht mehr los, auch als wir uns schon gegenüberstanden, sondern hauchte mir einenleichten Kuss auf meinen rechten Handrücken. Ich hätte vergehen können vor Erregung und romantischen Gefühlen. Nun war es endlich so weit. Ich war am Ziel meiner wochenlangen Träumereien angelangt. Noch ein kurzer Augenblick, dann würde mich dieser Traum von einem Mann in seine Arme ziehen. Ich würde seine Lippen spüren. Ich würde Greg vergessen. Ich würde …
»Auf Wiedersehen, Rosalind«, er schenkte mir ein bedeutungsvolles Lächeln, »ich freue mich auf Samstag.« Noch ein kleines Winken, dann schritt er zum Wagen.
Etwas benommen sperrte ich die Haustür auf und ging hinein. Während die Tür ins Schloss fiel, hörte ich das sanfte Schnurren des Jaguars, der wieder in Richtung Innenstadt rollte. So hatte ich mir das Ende dieses verheißungsvollen Abends nicht vorgestellt. Und doch: War es nicht ein gutes Zeichen? Stefan hielt mich für etwas Besonderes. Für eine Frau, die man nicht bereits am ersten Abend eroberte. Mit diesem tröstlichen Gedanken ging ich schlafen. Und träumte von einem aufregenden Samstagabend.
XX
Es war Freitagnachmittag, als mich Sebastian mit einer beiläufig geäußerten Frage überraschte: »Sag mal, Mam, warum hast du eigentlich mit Greg Schluss gemacht?«
Tim war bei seiner Nachhilfestunde.
Von Carla und Marie war nichts zu sehen. Hubert hatte sich am frühen Morgen von mir verabschiedet. Er hatte vordem Spiegel im Flur gestanden und sich ein kariertes Käppchen auf dem Kopf zurechtgerückt. Ich hatte diese Kopfbedeckung noch nie zuvor gesehen. Sie gab Hubert das ungewohnte Aussehen eines englischen Lords. Auch seine übrige Kleidung unterstrich diesen Eindruck.
Ich hatte es eilig, in die Praxis zu kommen, blieb aber doch stehen, um einige Worte zu wechseln: »Was hast du vor, Schwiegervater? Man könnte fast meinen, du gehst auf Brautschau. Zu deinem Outfit fehlt nur noch das Cabriolet.«
Dieser Satz war natürlich scherzhaft gemeint, und Hubert winkte erwartungsgemäß ab: »Für eine Brautschau ist es wohl ein bisschen zu spät. Da ist der Zug abgefahren, wenn ich das einmal so salopp formulieren darf. Das mit dem Cabriolet stimmt. Wir haben uns für das Wochenende eins gemietet. Es macht ja doch viel mehr Spaß, mit offenem Verdeck durch die Lande zu gondeln. Vor allem, wenn das Wetter so prachtvoll ist wie in den letzten Tagen. Hast du noch ein paar Minuten Zeit? Ich werde abgeholt, dann zeige ich dir den Wagen. Ein MG. In Jagdgrün. Ein wahrer Genuss, dieses Auto zu fahren!«
Ich freute mich über Huberts Begeisterung. Ich hatte meinen Schwiegervater schon lange nicht mehr so fröhlich und aufgekratzt gesehen. Wie schön, dass er gute Freunde hatte,mit denen er etwas unternehmen konnte. Und wie schön, dass er sich endlich etwas gönnte!
Ich hob bedauernd die Hand: »Nein, leider, ich kann beim besten Willen nicht warten. Ich muss schleunigst in die Praxis. Heute Morgen ist eine Implantation angesetzt. Ich kann das Team auf keinen Fall warten lassen.«
Und dann war ich eilig zu meinem Auto gelaufen. Bevor Huberts Freund, Walter Stadler vermutlich, gekommen war und mich mit weiteren Schwärmereien über das Fahrzeug hätte aufhalten können.
Jetzt war es siebzehn Uhr, und ich war mit Sebastian allein zu Haus. Wir standen im Wohnzimmer und inspizierten das Bücherregal. Mein Sohn sollte im Deutschunterricht ein Referat über einen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts halten. Er hatte dazu freie Auswahl, und wir überlegten, wen er zum Mittelpunkt seiner Arbeit machen könnte. Und dann kam aus heiterem Himmel diese inhaltsschwere Frage: »Sag mal, Mam,
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