Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Tag, an dem ich endlich Wolfram treffen sollte. Nein, falsch. Der Mann, von dem ich in einsamen Nächten geträumt hatte, hieß Stefan. Ach, es war alles so verwirrend. Aber spannend. Und so verwirrt ich auch war und so sehr ich Greg auch vermisste, so sehr genoss ich diese Situation. Es war ein schönes Gefühl, begehrt zu werden.
»Ich kenne ihn vom Sport. Er hat etwas Technisches studiert oder so etwas Ähnliches. Wir treffen uns heute nach der Schule. Es ist dir doch recht, Mam?«
Natürlich war es mir recht. Und wie recht es mir war! Wieder war ein Problem gelöst. Und diesmal noch dazu ohne mein Zutun. Es war schön zu sehen, dass meine Söhne immer selbstständiger wurden. So hatte ich mehr Zeit für mich. Und die hatte ich nun auch dringend nötig.
Um Punkt halb acht stand ich vor Margarites Tür. Ich hatte ihr einen bunten Sommerstrauß mitgebracht, den ich nun etwas zitternd in meinen feuchten Händen hielt. Die Tür ging auf, und eine freudestrahlende Gastgeberin erschien: »Roli«, sie umarmte mich herzlich, »was sind das für schöne Blumen! Herzlichen Dank.«
Verschwörerisch zwinkerte sie mir zu, was meine Nervosität nur noch weiter steigerte. Sie drehte sich kurz um: »Wolfram, Roli ist gekommen.«
Nun erschien auch die kleine, untersetzte Gestalt, um mich ebenso herzlich zu begrüßen. Und noch jemand anders erschien im Türrahmen zwischen Wohnzimmer und Flur: Stefan. Wenn es möglich war, dann sah er noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ein braun gebranntes Gesicht, eisblaue Augen. Die dunklen Haare an den Schläfen ergraut, was ihm den Anstrich von Seriosität und Weltgewandtheit verlieh. Ich konnte wetten: Sein dunkelblaues Sakko war aus reinstem, feinstem Kaschmir. Wie hätte ich bei seinem Lächeln Herrin meiner Gefühle bleiben sollen?
»Mein Name ist Stefan Auer-Bergenthal. Und Sie sind also Margarites Freundin Rosalind. Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.« Er reichte mir seine Hand. Margarite hatte ihm also doch von mir erzählt. Hätte mich ja auch gewundert, wenn sie ihren Plan für sich hätte behalten können. Ich spürte, dass ich errötete, während ich seinen Gruß miteinem Lächeln erwiderte. Ich sehnte mich nach meiner Handtasche, hinter der ich mich hätte verkriechen können. Das voluminöse Stück war zu Hause geblieben. Und das kleine Täschchen, das über meiner linken Schulter baumelte, war nicht wirklich hilfreich. Ich trug wieder denselben Rock mit derselben Bluse, die ich auch in Wien getragen hatte. Damals an dem Abend, als Greg und ich etwas überhastet das Tafelspitz-Restaurant verließen. Halt! Nicht daran denken, wie das war, als ich beides das letzte Mal auszog. Nicht an den Mann denken, der meinen »Striptease« mit heißen Augen und scheinbar unbewegter Miene verfolgt hatte.
»Lebe im Hier und Jetzt!«, sprach meine innere Tante Hildegard streng. »In der Zukunft liegt das Glück.«
»Du hast mir gar nicht erzählt, Margarite, wie reizend deine Freundin ist«, Stefan reichte mir seinen Arm und führte mich zu Tisch. Eine Geste, die mir von Peter vertraut war. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es war, wenn Greg mir seinen Arm anbot. Ich konnte es nicht. Greg war nicht der Typ dafür. Aber Stefan war es zweifellos. Was für ein Gentleman!
Es wurde ein ausgesprochen schöner Abend. Es war wie ein Eintauchen in eine Welt, die ich schon einmal gekannt hatte. Mit Greg war alles so neu gewesen, so leicht, so luftig, so unbeschwert. Kein Wunder, dass so ein Zustand nicht für die Ewigkeit halten konnte. Mit Stefan kam Vertrautes zurück in meine Gedanken. Wir sprachen über Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Leben der Stadt. Wir stellten mit großer Freude fest, dass wir einige gemeinsame Bekannte hatten. Das war nicht weiter verwunderlich. Dieser Mann bewegte sich in den Kreisen, die auch ich einst gekannt hatte, als ich noch die Frau des bekannten Rechtsanwalts Peter Steinberg gewesen war. Wenn sich auch Stefans Bekanntenkreis aufgrund seines höheren Alters nur teilweisemit dem unseren deckte. Um ehrlich zu sein, war dies nämlich gar nicht mehr mein Bekanntenkreis. Viele hatten mich nicht mehr eingeladen, seit Peters Tod bekannt geworden war. Zum Begräbnis waren sie noch in großer Schar gekommen. Hatten teure Kränze niedergelegt und blütenweiße Taschentücher zu ihren Augenwinkeln geführt. Aber dann? Sollte man wirklich eine Witwe einladen und riskieren, dass sie einem mit traurigem Gesicht den Abend verdarb? Oder, noch schlimmer,
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