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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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Rheuma. Es wäre nie zu spät, dem Leben eine neue Wendung zu geben, nicht
wahr? Ich gab ihm recht und kündigte meinen Besuch an. Er schien sich zu freuen.
Auf jeden Fall brach er in Lachen aus. Vielleicht war es aber auch nur ein Hustenanfall.
     
    Als ich ein halbe Stunde später
in Edys Wohnung eintraf, war seine Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt. Edy saß
im schwachen Licht einer verstaubten Deckenlampe vor einer leeren Wodkaflasche und
sagte kein Wort. »Gleich werde ich dich aufheitern.« Ich klopfte ihm auf die Schulter,
er kippte vornüber und blieb auf dem Fußboden liegen. So betrunken hatte ich ihn
noch nie erlebt, ich zog ihn in seinen Sessel hoch, doch er rutschte wieder hinunter.
    »Na, Edy,
mach nicht schlapp«, redete ich ihm ins Gewissen. »Stell dich nicht so an. Beweg
ein bisschen deine Füße. Du wirst sie noch brauchen, in Afrika.«
    Edy lauschte
meinen Worten und schwieg. Sein Gesicht sah seltsam entspannt und unbeweglich aus.
Auf einmal begriff ich, dass ihn nichts mehr auf der Welt zu seiner heiß ersehnten
Reise nach Afrika bewegen konnte. Edy Cop war tot.
    Schreiend
stürzte ich in die dunkle Diele hinaus. Vielleicht konnte man doch noch etwas machen,
ich wollte jemanden zu Hilfe rufen, schaffte es aber nicht mehr. Etwas versperrte
mir den Weg, ich spürte einen Schlag auf den Hinterkopf. Edy hatte schon recht,
schoss mir ein letzter Gedanke durch den Kopf, bevor ich in Dunkelheit versank:
In Afrika scheint die Sonne immerfort. Hier bei uns ist das Wetter doch zu unbeständig.

11.
     
    Als ich aufwachte, schien die Sonne
wieder. Allerdings ungefähr drei Meter von meinen Gesicht entfernt und zur Hälfte
von einem Mond verdeckt. Der Mond nahm, wie es bei Planeten unüblich ist, seinen
Tropenhelm ab und sendete mir eine Botschaft.
    »Kannst
du mich verstehen, Valeska?«
    »Nur, wenn
du kein Plattdeutsch sprichst.«
    »Dem Himmel
sei Dank, dein Gehirn funktioniert noch.«
    »Aber natürlich.
Und schalte diese verdammte Sonne aus.«
    Kurt knipste
die Tischlampe aus. Verstohlen sah ich mich um. Dem Trubel nach zu urteilen, befand
ich mich auf der Erde, in der Bettenabteilung eines Kaufhauses während des Schlussverkaufs.
Menschentrauben kämpften lärmend und wild gestikulierend um jedes einzelne Bett.
Hier und da lugte ein blasses Gesicht unter einer Bettdecke hervor. Manche Kunden
testeten bereits die Matratzen.
    »Mein Bett
ist nicht schlecht«, sagte ich. »Das nehmen wir. Und dann schnell weg. Ich habe
heute noch zu tun.«
    Er sah mich
streng an. »Das Bett bleibt stehen. Und du bleibst ruhig drin liegen.«
    »Was du
nicht sagst.« Ich warf die Decke schwungvoll zu Seite, setzte einen Fuß auf den
Boden und entschied dann doch, noch ein bisschen im Bett zu bleiben. Mit tiefem
Schwarz vor Augen gehe ich nicht gerne spazieren. Und schon gar nicht in einem Krankenzimmer,
das mit Betten so dicht vollgestellt war.
    »Ein Glück,
dass ich dich gefunden habe.« Kurt schob einen Hocker an mein Bett heran und war
im Begriff, sich hinzusetzen, als eine Hand, die zu einem stattlichen Körper gehörte,
ihm den Hocker wegschnappte und ans Bett nebenan schob. »Wenn ich Sie darauf aufmerksam
machen darf, gnädige Frau«, sagte er höflich, »zu jedem Bett gehört ein Stuhl. Und
der da ist eindeutig meiner.«
    »In einer
Privatklinik, ja. Aber nicht hier.« Ein ausladender Hintern stampfte den Hocker
in den Boden hinein.
    Vorsichtig
setzte sich Kurt auf die Kante meines Bettes und seufzte: »Du ersparst uns aber
wirklich nichts, Valeska Lem.«
    »Kein Risiko,
kein Spaß«, sagte ich munter. »Bin ich schwer verletzt?«
    »Nein, nur
eine Platzwunde am Hinterkopf.«
    »Und warum
brennt mein Gesicht?«
    »Weil …«
Kurt sah konzentriert die Wand über meinem Kopf an. »Weil …«
    »Genug.
Ich sehe bestimmt wie ein Zombie aus. Zum Glück bin ich nicht eitel.« Ich betastete
den Verband an meinem Kopf. »Was ist passiert?«
    Statt einer
knappen Antwort hörte ich nur Wehklagen. »Wenn ich geahnt hätte, dass mein Geld
für eine so ausgelassene Feier draufgeht.«
    »Eine Feier?
Die war gar nicht geplant.«
    »Möglicherweise,
aber deine Vorliebe zum Rausch hat gewonnen.«
    »Leide ich
an einer akuten Gedächtnisschwäche, Kurt?«
    »Das ist
wohl möglich. Beim Delirium Tremens sterben nachweislich Millionen grauer Zellen.«
    Behutsam
massierte ich meinen Kopf, um die Überreste der Erinnerung zusammenzufügen. Endlich
kam mir ein klarer Gedanke: Ich deutete auf ein Schränkchen an meinem Bett. »Es
geht

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