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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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die
Ruinen des alten Portomarín, und aus dem Wasser ragen Pfeilerreste der alten
Brücke. Leider, so Marcos, frönte Diktator Franco einem merkwürdigen Hobby:
Überall in Spanien ließ er wie ein Biber auf Koks wuchtige Staudämme errichten
und Flüsse stauen, so eben auch hier. Die Bewohner von Portomarín bekamen ein
paar Hundert Meter bergwärts ein neues Dorf. Mit ihnen zogen auch zwei Kirchen
um: Der Diktator ließ die empfindlichen, Jahrhunderte alten Bauten Stein für
Stein abtragen und im neuen Portomarín wieder aufbauen.
    Etwa zehn Minuten lang bleiben
wir auf der Brücke, plaudern und fotografieren. Derweil schleichen die vier
Taxipilger von heute früh an uns vorbei. Die hatte ich fast schon wieder
verdrängt. Nachdem sie außer Sichtweite sind, machen wir uns auf Richtung
Portomarín 2.0. Im etwas steril wirkenden Dorfzentrum setzen wir uns in ein
Café. Hinten in der Ecke entdecken wir Evelyn, die dort ihren Kaffee schlürft,
und winken ihr zu. Wir frühstücken ausführlich und blicken auf die trotzige,
kastellartige Iglesia de San Nicolás, die direkt vor unserem Fenster steht. Die
wurde von einem Schüler Meister Mateos, dem berühmten Schöpfer des Pórtico da
Gloria in der Kathedrale von Santiago, erbaut. Am reichlich verzierten
Hauptportal sind die Einflüsse des berühmten Lehrers nicht zu übersehen; umso
verwunderlicher wirkt der klotzige Rest des Baus. Nach einer Weile des
gedankenlosen Starrens entdecke ich einige ins Gemäuer eingeritzte Zahlen. Das
ist doch nicht zu fassen: Beim Verlagern der Kirche haben die Verantwortlichen
Stein für Stein durchnummeriert, einige von ihnen allerdings an der sichtbaren
Außenseite. Marcos als angehender Sir Norman Foster II. kann sich kaum halten,
aber wen will er verprügeln — Franco ist längst tot. Um Punkt zehn öffnet die
Kirche ihre Pforten, und wir treten ein. Innen offenbart sich uns in etwa das,
was die Hülle bereits versprochen hat. Bei der Kirche handelt es sich um einen
einschiffigen Kasten ohne Schnickschnack. Ihr Stempel ist der letzte, der in
meinen aus Deutschland mitgebrachten Pilgerpass gedrückt wird.
    Über eine absurd akkurat
gepflasterte Straße verlassen wir das Dorf. Hinter Portomarín führt eine
wahnwitzig schmale, völlig verrostete Metall-Fußgängerbrücke aus der Stadt.
Unter unseren Sohlen wellen sich die Platten. Meine bescheidene Prognose: Diese
Brücke steht nicht mehr lange. Über einen Waldweg gelangen wir auf eine
Landstraße. Ab hier führt der Camino an oder auf besagter Straße entlang. Vor
lauter Eintönigkeit denke ich nur noch in Grau, unfassbar, wie das Wetter meine
Laune zerknautscht. Immer mehr Sarria-Pilger hängen sich an unsere Hacken. Wo
kommen die denn alle auf einmal her? Als hätten sie in Portomarín auf uns
gewartet. Plötzlich radeln auch noch sieben Idioten mit aufgesetzten
Gummihörnern an uns vorbei. Wohlgemerkt auf dem Wanderweg. Chris kann sich
gerade noch zurückhalten, einen von ihnen ihren Pilgerstock in den Rücken zu
rammen. Vor lauter Wut fallen ihr auf die Schnelle keine englischen
Schimpfwörter ein, also knurrt sie unser Standardwort mit F und pöbelt auf
Deutsch herum. Das war’s dann wohl mit der Toleranz. Wir sind müde und
abgekämpft, da ist es ja wohl alles andere als zu viel verlangt, dass die
radelnden Affen die verdammte Straße benutzen. Der Camino ist kein Klamauk! Wir
verlangen von niemandem, dass er fromm und weise an jeder Kirche anhält, betet
und den Rest des Tages schweigt. Aber diese Nasen gehen nicht nur mit uns so
rüde um, sondern auch mit Mitpilgern, die teils über sechzig, siebzig Jahre alt
sind. Für sie stellen die ständigen Ausweichmanöver eine regelrechte Tortur
dar, sowohl für den Geist als auch für den Körper, Gummihörner, ich glaub’ es
hackt! Eine solche Verhaltensweise kann man nur als beschämend bezeichnen.
Sollen sie doch ihre wertlose Compostela entgegennehmen und zu Hause
Heldengedichten erzählen. Für uns sind sie nichts weiter als bemitleidenswerte
B-Klasse-Touris.
    Kurz nach halb zwei überqueren
wir eine Straßenbrücke, die irgendwie behelfsmäßig gesichert wirkt. Ist sie aber
nicht, nein in Spanien gilt dieser Zustand als fertig. Bei uns im Pott würde
man sagen: »Dat wird no’ jemacht.« Chris kramt ihren Wanderführer aus der
Hosentasche und fragt sich, wo wir uns befinden.
    Ich zeige auf eine Stelle links
von der gelben Linie, die die eben überquerte Straße darstellt. »Da.«
    »Nee«, widerspricht sie mir.
»Hospital (da

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