Vom Schlafen und Verschwinden
verschlossen das Loch und verhakten sich dicht ineinander.
Ich weiß nicht genau, warum ich es tat, aber ich weiß, dass ich damit etwas losgetreten habe.
Erst geschah nichts, dann hörte ich Benno von drinnen sprechen. Ich hätte es mir vielleicht noch einmal überlegt, wenn er Hallo gerufen oder um Hilfe gebeten hätte. Doch er sagte ihren Namen.
– Ellen?
Ellen, dass ich nicht lache. Ich hob das Brett auf, warf es gegen das Gestrüpp und ging.
Dass Benno mir vorwarf, ich hätte dabei noch gelacht, gab mir Gewissheit. Er war wirklich irre geworden. Er hatte sich in seiner Brombeerhöhle verschanzt, sein Eingangsbrett war umgekippt, und er glaubte, ich hätte das getan und gelacht und wäre daraufhin weggerannt. Er hätte natürlich sofort herauskriechen können, aber nein, er übernachtete dort und kam erst am nächsten Morgen aus dem Busch. Seine Hände und Arme, die er sich vor das Gesicht gehalten hatte, waren voller blutiger Schrammen, seine Jacke war am Rücken zerrissen, weil er sich mit dem Po voran aus der Höhle geschoben hatte.
Er kam aus dem Wald und klingelte morgens an meiner Haustür, nass, durchgefroren, mit Blättern im Haar, die Kleider zerfetzt. Ich grinste, als ich ihn sah. Ich dachte, er käme von einem sehr frühen Streifzug und wolle sich bei mir aufwärmen. Als ich ihm sagte, er solle reinkommen, damit ich seine Schrammen ansehen könne, wich er einen Schritt zurück.
– Findest du das lustig?
Seine Stimme war ruhig, im Nachhinein fand ich sie kalt, aber als er dort stand, dachte ich immer noch, er mache Spaß.
– Ja, ein bisschen schon.
– Mein Gott, wer bist du eigentlich? Egal. Es interessiert mich nicht. Jetzt wissen wir ja, woran wir sind, nicht wahr.
Ich merkte endlich, dass es ihm ernst war. Ich verstand nichts, fühlte mich hinterrücks angegriffen und wurde ärgerlich.
– Ja, es sieht so aus. Was für ein Glück. War’s das?
– Ja, ich schätze, das war’s dann.
Benno rief es, während er die Treppe hinunterging. Ich sah den klaffenden Riss in seiner Jacke und knallte die Haustür zu.
Abends rief ich bei ihm an, er blieb kalt, erklärte nichts, aber aus seinen Beschuldigungen konnte ich mir halbwegs zusammenreimen, was geschehen sein musste. Fast hätte ich wieder gelacht, was für eine Lappalie!
Vielleicht hatte er sich selbst eingeschlossen, um einen Grund zu haben, dort zu schlafen. Er behautptete jedenfalls, ich sei eifersüchtig auf seine Arbeit. Ich hätte mich schließlich sogar geweigert, die Höhle überhaupt zu betreten. Oder vielleicht hätte ich nur so getan, vielleicht hätte ich die Notizen klauen wollen. Oder vielleicht wollte ich ja diejenige sein, die den Fund als Erstes publizierte.
– Die Notizen gehören dir gar nicht, wie sollte ich sie dann klauen?
– Also, geht es doch darum, hätte ich mir denken können. Wahrscheinlich ging es dir die ganze Zeit darum.
Ich fühlte mich müde und alt. Heidrun lag seit Wochen im Koma, mein Kind kam abends zu spät nach Hause, Joachim stellte mir komische Fragen über meine Zukunft, Andreas behandelte mich wie Luft. Ich hatte keine Zeit für dieses kindische Gewese.
Er kam am nächsten Dienstag wieder zum Singen, aber als Marthe ihn fragte, warum er so zerzaust und wild aussehe und ob er in den Wald gezogen sei, warf er mir einen Blick zu, schaute Marthe ein bisschen schief an und sagte Ja.
Bis zur Entdeckung des Verstecks hatte Benno vergeblich nach Quellentexten Ausschau gehalten, die etwas über Hugo Schwindt berichteten. Er hatte weder Briefe von Soldaten, die Hugo ausgebildet haben musste, noch Zeugnisse von Unteroffizieren seines Regiments gefunden, nichts. Das hieß aber nicht, dass es sie nicht gab. Benno suchte nach Listen mit Bestellungen für Essen, Schuhe, Ausrüstung für Hugos Männer, einen Waschzettel, eine Eintragung für die Auszahlung seines Solds. Doch nirgends gab es eine Spur.
Benno war im Raststätter Archiv für Militärgeschichte gewesen, im Generallandesarchiv von Karlsruhe, im Potsdamer Forschungsamt für Militärgeschichte und im Freiburger Militärarchiv sowieso. In Karlsruhe fand er die Akte 456 F 141 Nr. 25 über die Ettlinger Akademie, Herr von Kretsch als externer Schulleiter wurde darin erwähnt, aber nicht Leutnant Schwindts afrikanische Feldübungen in den Rheinauen. Was Benno sich zunächst nicht eingestehen wollte, war, dass die ins Unreine geschriebenen Manuskriptseiten, die er im Archiv gefunden hatte, immer sonderbarer wurden. Schrieb man seinem
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