Vom Umtausch ausgeschlossen
Sicherheitsverwahrung rausgeholt.«
»Oh.« Das schmeckt mir ja nicht so richtig. Ich fasse mir an den Kopf, der wieder angefangen hat zu pochen.
»Am besten schläfst du jetzt ein bisschen«, sagt Jess, die mich genau beobachtet hat. »Schlafen ist gesund. Und im Schlaf spürt man keine Schmerzen. Hier ist eine Decke.« Sie reicht mir etwas, das wie ein großes Stück Alufolie aussieht.
»Äh... okay«, antworte ich zweifelnd. »Ich versuch‘s.«
Ich lege den Kopf auf der am wenigsten unbequemen Stelle ab und mache die Augen zu.
Aber schlafen kann ich nicht. Unser Gespräch spukt mir pausenlos im Kopf herum, und der trommelnde Regen und das flatternde Zelt lassen mich auch nicht zur Ruhe kommen.
Ich bin verwöhnt.
Ich bin ein verwöhntes, verzogenes Gör.
Kein Wunder, dass Luke so ausgeflippt ist. Kein Wunder, dass unsere Ehe kurz vorm Scheitern ist. Ist alles meine Schuld.
Oh Gott. Mir steigen Tränen in die Augen, was meine Kopfschmerzen nur verschlimmert. Mein Nacken ist schon ganz steif... und dazu bohrt sich mir auch noch ein Stein in den Rücken...
»Alles in Ordnung, Becky?«, fragt Jess.
»Nein«, gestehe ich mit belegter Stimme. »Ich kann nicht schlafen.«
Jess antwortet nicht, und ich denke schon, sie hat mich vielleicht nicht gehört oder meint einfach nicht, dass es dazu etwas zu sagen gibt. Aber dann spüre ich etwas neben mir. Ich drehe mich um - und sie hält mir etwas hin, das wie eine kleine Tafel weiße Schokolade aussieht.
»Ist leider kein Pfefferminzplätzchen«, merkt sie trocken an.
»Was denn?«, piepse ich.
»Kendal Mint Cake. Energiefutter für Klettertouren.«
»Danke«, flüstere ich und beiße einmal ab. Das Zeug schmeckt merkwürdig süß - nicht ganz mein Fall, aber ich beiße gleich noch einmal ab, um meinen guten Willen zu bekunden. Dann steigen mir zu meinem Entsetzen schon wieder die Tränen in die Augen.
Jess seufzt und beißt ebenfalls vom Kendal Mint Cake ab.
»Was ist denn los?«
»Luke wird mich nie wieder lieben.« Ich schluchze verhalten.
»Das glaube ich kaum«, sagt Jess.
»Doch, bestimmt!« Mir läuft die Nase, und ich wische einfach mit der Hand darüber. »Seit wir von unserer Hochzeitsreise zurück sind, läuft einfach alles schief. Und ich bin dran schuld, ich habe alles kaputtgemacht...«
»So ein Quatsch«, fällt Jess mir ins Wort.
»Was?« Ich sehe sie erstaunt an.
»Von wegen du bist schuld!«, erklärt sie ruhig. »Zu so etwas gehören immer zwei.« Sie faltet das Kendal-Mint-Cake-Papier zusammen und steckt es in ihren Rucksack. »Ich meine, wenn wir schon von Besessenheit reden, ja? Luke ist ja wohl mal vollkommen besessen von seiner Arbeit!«
»Ich weiß. Aber ich dachte, er hätte sich verändert. Auf unserer Hochzeitsreise war er total entspannt. Da war alles einfach perfekt. Ich war so glücklich.«
Es versetzt mir einen schmerzhaften Stich, als ich an Luke und mich zurückdenke, wie wir braun gebrannt und sorglos Händchen hielten. Zusammen Yoga machten. Auf der Terrasse in Sri Lanka saßen und unsere Überraschungs-Rückkehr planten.
Ich hatte mir alles so schön ausgemalt. Und nichts ist so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»Ja, aber jede Hochzeitsreise hat doch irgendwann mal ein Ende«, stellt Jess nüchtern fest. »Das war doch zu erwarten, dass die Umstellung hart sein würde.«
»Aber ich hatte mich so darauf gefreut, verheiratet zu sein«, schlucke ich. »Ich hatte mir das so gedacht: dass wir alle bei Kerzenlicht um den großen Holztisch herumsitzen... Ich, Luke, Suze, Tarquin, dass alle lachen und glücklich sind...«
»Und was ist passiert?« Jess sieht mich prüfend an. »Was ist mit Suze? Deine Mutter hat mir erzählt, sie wäre deine beste Freundin.«
»War sie auch. Aber während ich weg war, hat sie... jemand anderen gefunden.« Ich starre die flatternde blaue Zeltplane an und spüre einen Kloß im Hals. »Alle haben neue Freunde und neue Jobs und interessieren sich nicht mehr für mich. Ich... habe keine Freunde.«
Jess zieht den Reißverschluss an ihrem Rucksack zu. Sie schnürt die Kordeln zusammen. Dann sieht sie auf.
»Du hast doch mich.«
»Aber du kannst mich noch nicht mal leiden«, gebe ich trübsinnig zurück.
»Na gut, aber ich bin schließlich deine Schwester«, sagt Jess. »Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich mit dir abzugeben, oder?«
Ich sehe zu ihr und entdecke wieder das schelmische Funkeln in ihren Augen. Und eine Wärme. Eine Wärme, die ich vorher noch nie
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