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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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grandiose Landschaft zu betrachten, es genügt nicht, im Sommer im Garten zu faulenzen und im Winter am offenen Kamin. Dies wurde mir besonders bewusst, als eines Tages eine amerikanische Bekannte auftauchte, die ein Haus suchte. Sie war alleinstehend und hatte gerade ihre Karriere in der Verwaltung der UNO beendet. Da sie kaum Italienisch sprach, waren ihre beruflichen Fähigkeiten hier kaum gefragt. Meine Freunde und ich rieten ihr also davon ab hierherzuziehen. »Wenn du dich einmal an alles gewöhnt hast, kommst du hier um vor Langeweile.«
    Fast alle Nicht-Italiener, die ich hier kenne, arbeiten. Es sind Künstler der unterschiedlichsten Gebiete, Architekten, Filmleute, Englischlehrer und Schriftsteller. Andere vermieten Ferienwohnungen, betreiben Maklerbüros und kleine Hotels. Das Internet hat einigen Menschen, die sonst an ihre Büros gebunden wären, große Freiheiten geschenkt. Natürlich schadet es nicht, wenn man ein wenig Italienisch kann, aber selbst diejenigen, denen das Italienische gar nicht über die Zunge geht, kommen ausgesprochen gut zurecht.
    Bereits vor meinem Umzug hatte ich einen beruflichen Neustart gewagt. Ich hatte mit einer Literaturagentin in einem Berliner Café gesessen und laut darüber nachgedacht, ob ich nicht ein Buch schreiben könnte, für das sich deutsche Leser interessieren würden. (Ich hatte einige Jahre als Auslandskorrespondentin in Deutschland gearbeitet.) Die ersten Vorschläge, die ich ihr unterbreitete, überzeugten sie nicht. Doch dann fiel mir ein, dass ich einer englischen Agentur einst vorgeschlagen hatte, eine Biografie über den Kanzler Helmut Kohl zu schreiben, was mir höflich ausgeredet worden war. In England interessiert sich niemand für Helmut Kohl, teilte man mir mit. Die Agentin aber war begeistert. »Dafür kann ich dir sofort einen Vertrag besorgen«, rief sie. »Aber es gibt doch bestimmt schon einige Biografien auf Deutsch«, sagte ich zweifelnd. »Ja, schon«, antwortete sie, »aber aus deiner Auslandsperspektive noch nicht.« Ich erfuhr – und es erfüllte mich mit Dankbarkeit –, dass die Deutschen unseren fremden Ansichten durchaus etwas abgewinnen können. Tatsächlich ging dann alles sehr schnell. Ein Vertrag flatterte ins Haus, ich begann mit der Arbeit, pendelte zwischen Rom, wo ich damals noch wohnte, und Deutschland, wo ich recherchierte. Das Buch kam pünktlich zum Wahlkampf des Jahres 1998 heraus, der – ich weise jede Verantwortung von mir! – Kohls letzter sein sollte.
    Ich schlug die Augen auf und fand mich in einer Art Wunderland – in der schönen Welt des deutschen Literaturbetriebs – wieder, wo, so stellte ich vergnügt und glücklich fest, der Autor geschätzt und über lange Zeiträume gefördert wird! Wie anders war das harte Geschäft des Journalismus gewesen, das ich aus Großbritannien kannte! Das Kohl-Buch war gerade erst erschienen, als mich meine damalige Lektorin fragte, ob ich nicht Lust hätte, ein Buch über die englische Kochkunst zu schreiben. Es wäre konkurrenzlos, erklärte sie. Meine erste Reaktion war – Panik. Es gab gute Gründe, warum noch niemand gewagt hatte, ein solches Buch zu schreiben. Außerdem passte die Rolle der schreibenden Kulinarikerin nicht so recht in mein Selbstbild. Doch meine Agentin sprach mir Mut zu, und schließlich sagte ich zu. Mir gefiel die Vorstellung, das Buch zu schreiben, während ich den Umzug von Rom nach Umbrien organisierte. Was ich nicht wusste: Kein Buchprojekt kann so überschaubar sein, dass es im Chaos eines Umzugs fertiggestellt werden könnte. Doch letzlich wurde es trotzdem fertig. Die englische Kochkunst ist, wie ich feststellte, viel besser als ihr Ruf. Und seit ich das Buch geschrieben habe, hat sie sich weiter verbessert, sodass einige Gastrokritiker bereits die Behauptung wagen, sie gehöre zu den besten der Welt. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber das kleine Büchlein hat sich unter all meinen Büchern am besten gehalten. Und heute, dreizehn Jahre später, wird sogar eine Neuausgabe vorbereitet.
    Ich wandte mich gleich einem neuen Buchprojekt zu, das ich schon eine ganze Weile mit mir herumtrug und das mir bis heute das liebste ist: Es ging um die Flucht der Trakehnerpferde aus Ostpreußen, am Ende des Zweiten Weltkriegs. Mein neuer Berufsstart als Schriftstellerin war also bestens geglückt.
    Â»Du kannst dich

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