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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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Jutta Ratschinske hat es funktioniert, für mich auch. Allerdings bekomme ich noch heute weiche Knie, wenn ich daran denke, worauf ich mich eingelassen hatte, welche Risiken ich eingegangen bin. Dabei bin ich nur nach Italien gezogen.
    Als meine journalistische Laufbahn ungewollt und sehr überraschend endete, konnte ich frei entscheiden, wo ich leben wollte. Mein Partner und ich waren längst getrennte Wege gegangen, und ich besaß eine Fähigkeit – das Schreiben –, die mich nicht an einen Ort band. Außerdem war ich frei von familiären Verpflichtungen, auch wenn ich mir wünschte, im selben Land, zumindest aber auf dem selben Kontinent zu leben wie meine Tochter. Warum also sollte ich mir nicht den Traum erfüllen, mich irgendwo im Mittelmeerraum niederzulassen, in einem alten Steinhaus, wo ich bei Wein und Oliven zusehen konnte, wie die Sonne hinter Weinbergen und Orangenhainen verschwand?
    Ich lebte damals in Rom und daher schien mir der mittlere Teil von Italien ein geeigneter Ort für eine erste Suche zu sein. Da mir Rom zu laut und zu chaotisch war, machte ich mich, wie viele andere vor und nach mir, auf den Weg in die Toskana, um ein Haus zu finden. Doch bald schon trat ich den Rückzug an. Die Toskana ist möglicherweise die schönste und kulturell faszinierendste Gegend der Welt, doch die Preise waren derart astronomisch, dass ich mir kaum einen Kuhstall leisten konnte, geschweige denn mein Traumhaus. Wäre ich nur zwei Jahrzehnte früher gekommen, als meine Freunde und Kollegen dort zu Spottpreisen die schönsten alten Häuser kauften! Doch so schwer fiel es mir gar nicht, die Toskana von meiner Liste zu streichen. Es ist längst zu schick geworden, finde ich, die Ausländer, die dort wohnen, haben alle ein bisschen zu viel Geld, und die Städtchen sind alle ein wenig zu hübsch geworden. Die Restaurants sind teuer, und die Läden haben sich ganz auf die wohlhabende Kundschaft eingestellt. Trotzdem gestehe ich: Hätte ich damals ein paar Millionen übrig gehabt, dann hätte ich mich gleich dort festgesetzt und mir den Rest überhaupt nicht mehr angesehen.
    Wohin also dann? Ich fuhr nach Frankreich und schaute mich in der Provence um. Wunderschön, aber die Schilder der Immobilienmakler, die reihenweise an den Einfahrten der hübschesten Orte aufgestellt waren, machten mich skeptisch. Auch die Vielsprachigkeit der Restaurants. Die Gegend ist also längst von der Internationalisierung befallen, stellte ich fest.Das war bestimmt nicht das, was ich suchte. Außerdem spürte ich, dass mir zu Frankreich jede persönliche Bindung fehlte. Italien dagegen war ja irgendwie schon ein Zuhause für mich, ich hatte einige Jahre dort verbracht, war sogar eine Zeitlang mit einem Italiener verheiratet. Ich hatte noch eine Menge Freunde dort. Also stieg ich wieder ins Auto und fuhr in die Langhe, eine herrliche Landschaft voller Burgen und Weinberge nördlich der italienischen Riviera. Weiter ging es in die Marche an der Adria, wo die Preise moderater schienen. Doch so recht konnte ich mich für keine dieser Regionen erwärmen.
    Also Umbrien. Ein Gebiet, das ich anfangs völlig ignoriert hatte. Ich hielt die Menschen dort für rückständig und engstirnig. Umbrien hatte jahrhundertelang unter der Knute der Päpste vor sich hin gedämmert, während die Toskana, ein freies Großherzogtum, der Renaissance, ihrer Pracht und ihrem Fortschritt, eine Heimat gegeben hatte. Trotzdem machte ich mich mit einer Freundin auf den Weg. Wir hatten von einem Schloss aus dem 17. Jahrhundert gehört, das vom Eigentümer in mehrere, für ausländische Kunden gedachte Wohnungen unterteilt worden war. Der Mann war zwar sehr nett und meinte es durchaus gut, doch er hatte, wie viele seiner Landsleute, keine Ahnung von den Vorstellungen ausländischer Käufer. Ich winkte ab. Da verstand der Mann, dass ich eigentlich etwas suchte, was ich nach eigenen Vorstellungen restaurieren könnte, und er zeigte mir ein anderes, viel älteres Gebäude in einem Ort, der – typisch für die Region – auf einem kleinen Berg lag. Auch dieses Gebäude, die ehemalige Dependance eines aristokratischen Palazzos, hatte er bereits unterteilen lassen. Der einzige noch unrestaurierte Teil stand zum Verkauf. Die Substanz war uralt. Ich entdeckte Tonnengewölbe, Fresken, einen wunderschönen, überwucherten Garten. Dass hier eine Menge Arbeit

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