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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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gemacht hatte. Während ich das längst vergessen hatte, war Angela davon offenbar sehr beeindruckt gewesen.
    Sorrel ist seit Jahren geschieden. Sie hat einen Sohn und zwei Töchter, Zwillinge. Die Mädchen hat sie ganz allein aufgezogen. Das ging, weil sie eine kleine, einträgliche Marketingfirma gegründet hatte. Sie hatte immer davon geträumt, einmal die Welt zu sehen, doch wegen der Kinder und der Arbeit war an eine große Reise nicht zu denken gewesen. »Seit meinem achtzehnten Lebensjahr habe ich ununterbrochen gearbeitet. Also zweiundvierzig Jahre lang, an einem Stück. Nun hatte ich das Gefühl, dass der richtige Zeitpunkt für den Absprung gekommen war, denn sonst hätte ich wohl für den Rest meines Lebens gearbeitet. Die Zwillinge waren aus dem Haus, ich fühlte mich jung, ich wollte etwas erleben. Ich nahm mein Erspartes und kaufte ein Ticket, ein Weltreise-Ticket.«
    Sorrel besuchte Freunde, sie wandelte auf Touristenspuren, und sie erlebte einige unglaubliche Abenteuer. Erst einmal flog sie mit ihrer Schwester nach Sri Lanka, eine Gruppenreise. Eigentlich alles ganz harmlos. »Ich reiste etwas später an als die anderen. Ich hatte vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Und auf einmal saß ich auf einem Elefanten. Die anderen trugen praktische Tropenanzüge und Stiefel, meine Schwester und ich – ich weiß nicht mehr, warum – trugen Sandalen und leichte, fließende Kleider aus Seide. Wir sahen wohl sehr altmodisch aus, denn gegen Ende des Aufenthalts nannten sie uns Memsahibs, oder einfach Mems, wie die Frauen der alten britischen Kolonialverwalter.«
    Von Sri Lanka ging es weiter nach Mumbai. Dort gab sie einen Kurs für Leute, die in Marketing geschult werden wollten. Es war das erste Mal, dass sie mit dem Leben in der Dritten Welt konfrontiert wurde.
    Â»Ich wohnte bei einer sehr freundlichen Familie. Wohl eine Familie aus der Mittelschicht, aber alles war sehr einfach. Ein Bad gab es nicht, immerhin aber eine Art Toilette. Ich wollte mir auf eigene Faust die Stadt ansehen, aber das hielten sie für zu gefährlich. Ich fühlte mich wie gefangen. Dann bekam ich die Anfrage, außerhalb von Mumbai einen Vortrag zu halten. Das Haus, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte, war ein Rohbau, es hatte nicht einmal Fenster. Die Besitzerin hatte alles geschrubbt und auf Hochglanz gebracht, das konnte ich erkennen, aber trotzdem schien sie sich zu schämen. Überall waren Ratten, auf den Mauern, im Wäschekorb. Man merkte schnell, dass diese Menschen sehr arm sein mussten. Doch was mich sehr bewegte, war, dass sie ihr Leben in die Hand nahmen und etwas daraus machen wollten. Schließlich saß ich also mit einer Gruppe von Männern auf dem Flachdach des Hauses, wo die Menschen dort immer sitzen, wenn es abends oder nachts kühler wird. Ich trug einen der beiden Salwar Kamiz, die ich mir kurz zuvor zugelegt hatte, eine traditionelle indische Kombination aus Umhang und Hose. Ich wollte nicht anecken mit meiner westlichen Kleidung, außerdem gefiel es mir, mich ein wenig anzupassen. (Die ganze Woche in Mumbai blieb ich bei diesem Aufzug und fühlte mich ganz wohl dabei.)
    Auf dem Dach gab es erstaunlicherweise kein Licht, ich sah eigentlich nur die Zähne meiner Zuhörer, das Weiße ihrer Augen. Keine Ahnung, ob sie mich verstanden, es wurde alles übersetzt, da keiner von ihnen Englisch sprach. Ab und zu stürzten schwarze Vögel aus dem Nachthimmel auf uns herab, riesig und voller Neugier, wie in dem Hitchcockfilm, ich erschrak immer wieder. Die Zuhörer waren alle sehr freundlich. Am Ende wollte jeder mit mir fotografiert werden, das hörte und hörte nicht auf. Ich war so müde, es war ein langer Tag gewesen …«
    Sorrel besuchte anschließend Freunde in Singapur und Hongkong und flog weiter nach Kambodscha. Eine Freundin hatte sie gedrängt, die Tempel von Angkor zu besuchen, die bisher von den großen Touristenströmen verschont geblieben seien. Kambodscha, stellte sich heraus, war eine Herausforderung und nicht ganz ungefährlich. Sie wurde beinahe nicht ins Land gelassen, weil sie die Ankunftsgebühr nicht bezahlen konnte. Der Geldautomat am Flughafen akzeptierte ihre Kreditkarte nicht, und sie hatte kein Bargeld zum Tauschen. Schließlich wurde sie von einem Beamten in die Stadt begleitet, um Geld an einem Automaten zu ziehen. Vielleicht war das auch der Grund, warum ihr Phnom

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