Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein
Penh von Anfang an nicht gefiel. Zudem gab ihr das Hotel, in dem sie reserviert hatte, nur ein Zimmer ohne Fenster. Als sie damit drohte, das Hotel zu verlassen, wurde jemand anderes aus seinem Zimmer herauskomplimentiert. Klar, dass sie sich damit nicht gerade beliebt machte.
Auf einer Fähre brach sie schlieÃlich nach Angkor Wat auf. Doch sie merkte schnell, dass sie allen Grund hatte, deren Seetüchtigkeit anzuzweifeln. Vor der verranzten Kabine hatte man sie gewarnt. Also saà sie an Deck und verbrannte in der gnadenlosen Sonne. Das Essen, das sie mitgebracht hatte, wurde vom Wind erfasst und landete bei den Fischen. Bevor sie in ein wankendes, furchtbar überfülltes Beiboot klettern durfte, das sie an Land bringen sollte, fand sie sich mitsamt ihrem schweren Rucksack auf einem zwanzig Zentimeter breiten, ungesicherten Gang wieder, im Gedränge schubsender, keifender Menschen â unter ihr nur stinkendes, dreckiges Wasser. »Und das mit sechzig!« Das Beiboot hatte mehrere Lecks, das Wasser stand bis ans Dollbord. An einem faulig riechenden, mit Fischköpfen übersäten »Strand« lieà man die Fahrgäste aussteigen. »Ich stieg über eine schmale Planke, die im Schlamm zu versinken drohte, und war froh, als ich endlich festen Boden unter den FüÃen spürte.
Zum Glück hatte ich ein Zimmer reserviert. Ich rief im Hotel an und bat, mir ein Taxi zu schicken. Schon bald entdeckte ich einen etwa siebzehnjährigen Jungen, der einen Zettel mit meinem Namen hochhielt. Und? Wo ist das Taxi?, fragte ich. Er zeigte auf sein Moped. Ich war sprachlos. Doch er band meinen Rucksack an den Lenker, ich stieg auf, wir fuhren los. Was ich nun erlebte, sprengt jede Vorstellungskraft: Ich bin in meinem Leben noch nicht so durchgerüttelt worden, die ganze StraÃe bestand nur aus Schlaglöchern, die Fahrt schien endlos. Irgendwie erreichten wir schlieÃlich das Hotel, das in Ordnung war, sehr sauber.«
Ein Bekannter hatte ihr erzählt, dass sie in Angkor unbedingt die buddhistischen Mönche besuchen sollte. Er hatte einige Nächte im Tempel wohnen dürfen und ihr gesagt, dass diese Erfahrung sein Leben verändert hätte. Also erkundigte Sorrel sich. Der Mopedfahrer, der ein paar Worte Englisch konnte, übersetzte für sie. Niemand wollte ihr Auskunft geben, was offenbar daran lag, dass sie noch keine Zeit gehabt hatte, sich nach den Erlebnissen auf der Fähre wieder zurechtzumachen. Doch sie gab nicht auf. SchlieÃlich fand sie heraus, dass die Mönche keine Frauen empfingen, man schickte sie aber zu einer Gruppe buddhistischer Nonnen. Nur mit sehr viel Einsatz und Glück gelang es ihr, diese Nonnen ausfindig zu machen. Sie fragte die Frauen, ob sie bei ihnen wohnen dürfe, um etwas über ihre Lebensweise zu erfahren. »Sie waren sehr freundlich und luden mich ein, in zwei Tagen zum Morgengebet zu ihnen zu kommen. Ich musste um fünf Uhr aufstehen, es war noch stockfinster. Mein Fahrer war trotzdem zur Stelle, unglaublich! Doch das Haupttor des Hotelgeländes war abgeschlossen. Also musste ich über einen ziemlich hohen Zaun klettern.
Wir fuhren über ein riesiges Feld voller Gräber und Grabmale. Der Junge hatte eine Wahnsinnsangst, die Einheimischen glauben, dass es dort Gespenster gibt. SchlieÃlich erreichten wir den Ort, wo die Nonnen ihr Gebet abhalten. Sie trugen einfache weiÃe Gewänder und Hosen, jede hatte einen Bastkorb, in dem ihr Gebetbuch lag. Mit einem weiÃen Tuch, das man mir reichte, bedeckte ich meine FuÃsohlen. Der gigantische Buddha, vor dem wir saÃen, sollte sie nicht sehen. Die Nonnen begannen mit ihren Gesängen. Die Frauen saÃen zwar nicht im traditionellen Lotussitz, aber wenn man es nicht gewöhnt ist, auf dem Boden zu sitzen, kann es nach einiger Zeit sehr unangenehm werden, egal in welcher Position. Ein Gesang folgte auf den nächsten, sie flossen ineinander, bis ich in eine Art Trance verfiel. Es war ein bisschen wie Meditation, ich verlor jedes Bewusstsein für die Zeit. Irgendwann, nach einer Stunde vielleicht, hörte der Gesang auf. Genau zu diesem Zeitpunkt begannen die Vögel in der ersten Dämmerung zu zwitschern.
Eine wahnsinnige Erfahrung. So etwas gibt es im Westen nicht. Kann sein, dass auÃer mir noch nie jemand aus dem Western dort war. Die Nonnen waren winzig und unglaublich freundlich. Sie stellten mir unzählige Fragen und zeigten sich erstaunt,
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