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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clough Patricia
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gehabt. »Ich habe das Alter als etwas Normales gesehen. Es gehört zum Leben dazu, auch meine Krankheit gehört dazu. Ich bin dankbar, dass sie erst so spät gekommen ist. Es gibt Leute, die ihr ganzes Leben lang krank sind. Ich denke, ich habe gelebt.«
    Wenige Monate später starb Bärbel Bohley.
    Viele Journalisten träumen davon, dass sie eines Tages, wenn sie in den Ruhestand gehen, ein Buch schreiben und reisen werden. So auch Inge Deutschkron. Vierzehn Jahre lang hatte sie für die israelische Zeitung Maariv aus Bonn berichtet, wo sie als einflussreiche Korrespondentin gearbeitet hatte. Nach weiteren vierzehn Jahren in Tel Aviv, wo sie als diplomatische Reporterin mit Deutschlandfokus arbeitete, setzte sie sich 1987 zur Ruhe – genauso wie sie es geplant hatte. Sie fühlte sich wohl in Israel und hatte gar nicht vor, nach Deutschland, das Land, in dem sie geboren worden war, zurückzukehren. Doch im folgenden Jahr erhielt sie einen Anruf, der ihr Leben noch einmal auf den Kopf stellen sollte. Am Telefon war Volker Ludwig, er sei in Tel Aviv, ob er sie treffen könne.
    Zu dieser Zeit war Volker Ludwig der Leiter des Berliner Grips Theaters, des ersten und bekanntesten Kinder- und Jugendtheaters in Deutschland. Er bat sie um Erlaubnis, ihr Buch »Ich trug den gelben Stern« über ihre Kindheit und Jugend während der Zeit des Nationalsozialismus, die sie 1978 geschrieben hatte, in einer dramatischen Fassung auf die Bühne zu bringen. Natürlich sagte sie zu, doch sie verstand nicht gleich, dass sie mit ihrer Zusage ihrem Leben, das bereits so ereignisreich gewesen war, eine ganz neue Wendung gab.
    Volker Ludwig begann, das Theaterstück zu schreiben, und schickte ihr jede Seite zur Durchsicht. Hier und dort korrigierte sie kleine Fehler, die sich eingeschlichen hatten. Als das Stück mit dem neuen Titel »Ab heute heißt du Sara« fertig war, flog Inge nach Berlin und sah sich die Proben an. Die Premiere am 9. Februar 1989 war ein riesiger Erfolg. »Eigentlich wollte ich ein paar Tage später wieder nach Tel Aviv fliegen, aber die Lehrer und Schulkinder belagerten mich regelrecht und baten mich, in ihre Schulen zu kommen. Also beschloss ich, mich sechs Monate lang als Vortragsreisende zu versuchen.« Danach, so meinte sie, würde sich niemand mehr für ihre Geschichte interessieren. Doch es kamen immer mehr Anfragen. Wenn es nicht zu anstrengend für sie gewesen wäre, hätte sie jeden Tag in eine andere Schule gehen können. So beschloss sie, ihre Zeit zwischen Berlin und Tel Aviv aufzuteilen: sechs Monate hier, sechs Monate dort. Doch auch das wurde ihr bald zu viel. »Ich musste zwei Wohnungen unterhalten, und wenn ich schreiben wollte, waren meine Bücher und Papiere immer gerade am falschen Ort. Es wurde einfach zu kompliziert.« 2001 zog sie schließlich ganz nach Berlin.
    Inge war 1922 geboren worden, und erst mit zehneinhalb Jahren, am 31. März 1933, erfuhr sie, dass sie Jüdin war. »Wir gehören einer Minderheit an, mein Kind, wir sind jüdisch«, erklärte die Mutter. »Ich wusste nicht, was das bedeutet«, erzählte sie mir, »und selbst meine Mutter schien sich nicht ganz sicher zu sein.« Sie waren nicht religiös und lebten wie eine nichtjüdische deutsche Familie – mit Weihnachtsbaum, Ostereiern und allem, was dazugehört. Dann sagte ihre Mutter etwas, das Inge nie vergessen sollte: »Es bedeutet aber nicht, dass du weniger wert bist als andere Kinder. Lass dich von niemandem herumschubsen. Du musst lernen, für dich einzustehen.« Ihr ganzes Leben lang hat sie diesen Rat beherzigt.
    Am nächsten Tag begannen die Nazis die erste einer Reihe von Aktionen gegen die Juden, sie riefen zum Boykott jüdischer Geschäfte und Betriebe auf. Bald nahm die Bedrohung zu. Eines Abends wartete sie mit ihrer Mutter und dem Hausmädchen auf den Vater, einen Lehrer und SPD-Funktionär, der nicht zur üblichen Zeit nach Hause gekommen war. Sie waren sehr verängstigt. Es klingelte – ein Gleichgesinnter, wie sie erleichtert feststellten. Inge hörte durch eine Tür, wie der Parteifreund ihrer Mutter erzählte, dass die Nazis ihre Wohnung im Visier hätten. Das ganze Viertel wisse von ihnen und von den politischen Aktivitäten ihres Mannes, er müsse schnellstens untertauchen. Die Mutter ging aus dem Haus, um ihn zu suchen, und kehrte erst sehr spät heim, sie war

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