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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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Nachtlager im Freien. Doch der Weg bis dahin ist so einsam, dass wir wohl keine Einkaufsmöglichkeit mehr finden werden. Hier den Proviant zu besorgen, ist zu früh. Wir müssten dann alles schleppen, und dem Käse und der Wurst täte die Hitze bestimmt nicht gut.
    Das einzige winzige Dorf auf der vor uns liegenden Route ist Windischhausen. Wir müssen auf Nummer sicher gehen und uns vergewissern, ob es dort einen Gasthof gibt. Also ruft Martin die Auskunft an und wir erhalten die Rufnummer. Es braucht nur ein kurzes, überzeugendes Gespräch von unserem Logistiker, und die Versorgung ist gesichert. Gegen fünf wird jemand da sein und uns bedienen, obwohl das Lokal zu dieser Zeit geschlossen hat. Gut gemacht, Martin.
    Mit prall gefüllten Wassersäcken ziehen wir weiter, am Waldrand entlang, dem Bach Rohrach flussaufwärts folgend in ein flaches Tal hinein. Die Waldkante spendet zwar Schatten, aber es ist schwül, und mittlerweile sind es 35 Grad.
    Das Tal verjüngt sich, die bewaldeten Hänge stehen dicht beieinander, in der Mitte plätschert munter der Bach. Wir wandern unter ausladenden Zweigen hinein in eine verträumte, liebliche Landschaft, darin wir auf das kleine, malerische Dorf Windischhausen treffen.
    Die Turmuhr schlägt vier, als wir einlaufen. Es ist ruhig im Dorf und heiß. An der Gaststätte lassen wir uns auf der Veranda nieder und warten geduldig, den Kopf an einen Holzpfeiler gelehnt, die Beine auf einen Stuhl gelegt. Die Schläfrigkeit und Schwüle des Nachmittags übertragen sich auf mich, ich werde müde, schließe die Augen und spüre, wie mein Körper sich entspannt und eine wohlige Mattigkeit sich in mir ausbreitet. Nur wenige Vögel zwitschern, irgendwo bellt ein Hund, hin und wieder geht ein leichter Wind, bewegt die Blätter in den Baumkronen. Ein leises Rauschen erfüllt die Luft, ein Brummer umschwirrt mich, die Turmglocke schlägt einmal. Die Zeit tropft, nichts verändert sich, wie in einem Standbild, das der Sommer geschaffen hat.
    Ein altes Haus zieht mich in seinen Bann. Es steht dort gegenüber auf einer Wiese unter einer großen, alten Esche, wie ein lebendiges Fossil. Flach und langgestreckt, mit rissigem, gelbem Putz, verblichenen grünen Fensterläden, einer schiefen Tür in einem wuchtigen Holzrahmen, der bis an die niedrige Dachkante reicht. Zwei Steinquader bilden die Treppe, davor ein Teppich weißer Gänseblümchen. Auf dem Dach rote Ziegelschindel. Dieses Haus atmet und hat eine Seele, sieht schön aus, obwohl oder gerade weil es alt ist.
    Eine Stunde verstreicht ohne Hast und Eile. Dann ein Auto. Es hält auf dem Hof, und eine Frau steigt aus, einen Karton mit Lebensmitteln unter dem Arm.
    „Na, meine Herren. Schon lange gewartet?“
    „Nö, uns treibt nix.“
    „Soll ich Ihnen was zu trinken bringen?“
    „Das wäre klasse, vielleicht eine Schorle.“
    Sie verschwindet im Haus, wurschtelt eine Weile darin herum und kommt dann mit den Getränken zurück. Zwischenzeitlich sind auch ihr Mann und ihre Tochter eingetroffen. Wo die so plötzlich herkommen, ist mir schleierhaft. Im Auto waren sie jedenfalls nicht, und im Haus hat sich bis dahin nichts geregt. Wir schwatzen miteinander und fragen schließlich nach belegten Broten und Wein.
    Die Brote sind kein Problem, beim Wein aber wird’s schwieriger. Die Literflaschen Trollinger, die sie uns hergestellt hat, sind uns zu groß, vor allem zu schwer.
    Unsere Wirtin begibt sich also wieder in den Keller und kehrt mit einer Flasche Mädchentraube und einem südafrikanischen Wein zurück. Den vollsüffigen Schädelspalter will keiner, und den Südafrikaner hat sich Martin sofort unter den Nagel gerissen.
    Nochmals muss sie runter – genervt – und kommt mit leeren Händen zurück.
    „Ich hab’ nur eine Flasche von dem Südafrikaner. Jetzt müssen Sie sich entscheiden!“
    Die Toleranzgrenze ist wohl überschritten. Irgendwie hat das Ganze eine ungewollte Eigendynamik bekommen, aber ich will die süße Plörre nicht trinken und entgegne: „Die Mädchentraube mag ich nicht. Schade, dass Sie keinen trockenen Wein mehr haben, aber dann ist das eben so. Vielen Dank!“
    „Hab’ ich doch. Sie wollten ja den Trollinger nicht!“
    „Ein Liter ist mir aber zu viel und zu schwer, ich muss das ja auch alles noch schleppen. Wir schlafen doch nicht gleich um die Ecke, und außerdem ist es schweineheiß!“
    Sie ist jetzt richtig gnatzig, geht aber doch noch mal hinunter. Es dauert etwas länger, dann erscheint sie in der Tür mit

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