Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
Koufunissi. Unser Sohn war noch nicht geboren. Wir kuschelten morgens zu dritt im Bett, und meine Frau erzählte uns den Albtraum, aus dem sie kurz vorher erwacht war.
Ihr Vater habe am Ampelübergang an der Hauptstraße in der Nähe des Friedhofes in ihrem Heimatort gestanden. Die Ampel sei rot geschaltet gewesen, und sie selber habe auf der anderen Straßenseite gestanden. Er habe zu ihr gewollt und die Straße betreten. Nur wenige Schritte seien ihm gelungen, und dann sei er zusammengebrochen und gestorben.
An der Tür wurde geklopft. Ich sollte unbedingt nach Hause telefonieren. Jemand hatte angerufen. Mir schwante nichts Gutes, aber man verlangte ja mich und nicht meine Frau. Ich machte mich auf in den Ort, denn es gab nur eine Stelle, von der aus man ins Ausland telefonieren konnte.
In dem kahlen, fensterlosen Raum, direkt hinter der Eingangstür, stand in einem Holzverschlag das Telefon. Außer der Frau, die die vorsintflutliche Apparatur betreute, war niemand anwesend. Eine Steinbank an der Wand diente als Sitzgelegenheit für Wartende.
Ich rief meine Eltern an, doch ihnen ging es gut, und sie wussten auch von keinem besonderen Ereignis. Ich stellte nun eine Verbindung zu meinen Schwiegereltern her. Martha, die Mutter meiner Frau, nahm den Hörer ab und überbrachte mir die schlimme Botschaft:
„Edo ist tot. Mein lieber Mann ist gestern an einem Herzinfarkt gestorben. Wir saßen im Auto. Er konnte gerade noch anhalten. Wir standen an der Straße im Dorf. Der Rettungswagen konnte nichts mehr ausrichten.“
Wie vom Donner gerührt stand ich mit dem Hörer in der Hand und wusste nicht, was ich sagen sollte.
Ich schlich mich aus dem Haus, ging einige Meter und setzte mich schließlich in die äußerste Ecke auf die mit Schilf überdachte Terrasse jener Bar, in der wir an den Abenden, wenn wir im Dorf unterwegs waren, einkehrten, um einen Absacker zu trinken.
Ich war erschüttert, und die Tränen liefen mir über die Wangen. Oh Gott, wie soll ich das bloß meiner Frau und meiner kleinen Tochter beibringen, die diesen Mann über alles liebten.
Ein Kellner, der mich kannte, brachte einen Metaxa und hob abwehrend die Hände, als ich zur Geldbörse greifen wollte. Er zog sich sofort wieder zurück und überließ mich meiner Trauer.
Schweren Herzens stand ich auf und ging den langen Weg am Meer zurück. Der Himmel war bedeckt, das erste und einzige Mal in diesem Urlaub. Es war tatsächlich so, als ob auch er Trauer tragen würde.
Diese drei Erlebnisse haben mich nachhaltig beeinflusst und mich wissen lassen, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die unerklärlich sind, aber passieren.
Es ist tiefe Nacht, als Martin und ich zu Bett gehen. Wolken haben sich über die Sterne geschoben, und ein leichter Wind führt kühle Luft heran. Es war ein wunderbarer Tag mit einem traumhaften Abend, ein Geschenk und eine Entschädigung für den öden Abschnitt, der hoffentlich hinter uns liegt.
D RITTER R UHETAG
SAMSTAG, 7. JUNI
LANDSBERG AM LECH
Das Wetter ist umgeschlagen. Ein kühler Wind weht durch die Straßen. Schwere, graue Wolken ziehen über den Himmel und führen Regen und Kälte mit sich. Lustlos traben wir durch die Stadt, landen schließlich in einem überfüllten Café. An einem wackligen Bistrotisch finden wir noch ein Plätzchen, bestellen Kaffee und Kuchen und schlagen die Zeit tot.
Martin will ins Freibad und 1.000 Meter schwimmen. Das hat er schon in Weißenburg getan, und ich glaube, das würde er auch tun, wenn es schneit. So sehr liebt er diesen Sport.
Ich bleibe sitzen, schnappe mir die Tageszeitung und blättere desinteressiert durch die Seiten. Nach einer halben Stunde zahle ich und mache mich auf, um ein wenig durch die Stadt zu schlendern. Eine digitale Anzeige über einem Geschäft zeigt 14 Grad Celsius. Es ist ungemütlich.
Im hell erleuchteten Foyer einer Sparkasse drängen sich die Menschen. Neugierig trete ich näher. Klaviermusik erklingt. Ein Kind sitzt an einem Flügel und spielt ein einfaches Lied – hübsch anzuhören.
Auf der Galerie des Foyers ergattere ich einen aussichtsreichen Platz. Nun setzt sich ein Mädel an den Flügel. Sie spielt „Für Elise“. Bei den Läufen kommt sie ins Stocken und bricht ab, beginnt nervös und zu schnell von vorn und scheitert an der gleichen Stelle. Tränen rollen ihr über die Wangen. Sie gibt auf und geht gesenkten Hauptes zurück zu ihren Eltern. Die Leute klatschen, es könnte ja auch ihr Kind sein.
Es folgt ein Junge mit einer
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