Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
Vom Netzwerk:
Hersbruck durchgekämpft. Mit zittrigen Beinen betreten wir die Stadt und suchen völlig erschöpft ein Café. Wie gut, dass man zu Beginn einer Wanderung die Strapazen nur schlecht abschätzen kann. Man weiß wohl, dass es manchmal kein Zuckerschlecken wird, aber dieses Wissen ist eben abstrakt und hat noch keinen Erlebniswert. Dies ist ja auch der Grund, warum sich viele bei solchen Unternehmungen maßlos überschätzen und sich nur ungenügend vorbereiten. Dies gilt auch und gerade für Wanderungen im Gebirge.
    Müde lassen wir uns vor einem Café in die Sessel sinken und starren schweigend die Straße hinunter: Ein kleines, fränkisches Städtchen geht mit überschaubarer Geschäftigkeit seinem Alltag nach. Es ist die Zeit der jungen Mütter und alten Menschen, die jetzt ihre Einkäufe tätigen. Hin und wieder ein Kleintransporter, ein Stadtbus, ansonsten friedliche Beschaulichkeit.
    Dann bricht Hektik aus. Eine forsche Blondine mit pickeligem Gesicht, Pferdegebiss und zackigen Bewegungen begrüßt uns mit verrauchter Stimme, knallt zwei Speisekarten auf den Tisch, so dass die Blumenvase über den Rand schliddert und in meinem Schoß landet. Einen Moment schaut sie mich verdutzt an, dann bleckt sie ihr Gebiss, entblößt dabei ihr Zahnfleisch, in dem riesige Zähne stecken, und wiehert los. Dabei schaut sie mich herausfordernd an.
    „Kann passieren“, sage ich matt.
    Mehr fällt mir nicht ein, und ich stelle die Vase, in der weder Wasser noch Blumen waren, zurück auf den Tisch.
    „Der erste Kaffee geht auf Rechnung des Hauses“, erwidert sie. „Bestellen Sie nur, ich bin gleich wieder da“, und verschwindet.
    Martin und ich schauen uns an. Was war das denn?! Jedenfalls sind wir jetzt wach und suchen uns ein üppiges Frühstück aus: Müsli, rohen und gekochten Schinken, Käse, Tomaten, Ei, Marmelade, Saft, Butter und Brötchen.
    Der Kaffee kommt sofort, und dann passiert erst mal gar nichts. Nach einer Weile betritt unsere Gazelle wieder die Bildfläche und verkündet, dass die Brötchen verbacken seien.
    „Ich bring’ euch noch einen Kaffee aufs Haus, das wird schon.“
    Wieder vergehen Minuten, und dann ist es so weit. Statt Müsli Cornflakes, kein roher Schinken, keine Tomaten, aber immerhin warme Brötchen. Wir protestieren nicht, sind ausgehungert wie Wölfe und stehen kurz vor einem Kaffeerausch. Immerhin bekommen wir Nachschub, und mit Kaffee geht sixfe so freigebig um, als wenn es Leitungswasser wäre. Zum Schluss wird abgerechnet: 12,50 Euro für jeden.
    „Ist ’ne ganze Menge“, denke ich, zahle aber anstandslos, und wir machen uns wieder auf den Weg.
    Zunächst beschäftigt uns der Preis. Wir rechnen und rechnen und kommen immer wieder nur auf 9,20 Euro. So, so – unsere Gazelle hat uns also beschissen. Von wegen dieser und jener Kaffee geht aufs Haus! Sie hat jedes Kännchen und jede Tasse berechnet. Ganz schön dreist oder einfach nur ein Plappermaul, das uns da bedient hat. Ich tippe mal auf Letzteres. Plötzlich fällt mir siedend heiß ein, dass der Akku meines Fotoapparats samt Ladegerät noch im Café am Netz hängt. Meine Güte, das hätte noch gefehlt, den da liegenzulassen. Ich eile zurück. Weit ist es ja nicht.
    Unsere Lady steht hinterm Tresen.
    „Ich hätt’ beinah meinen Akku vergessen. Sie wissen ja, den habe ich dahinten zum Aufladen angeschlossen“, sage ich ihr im Vorbeigehen.
    „Oh, da sind Sie ja nochmal zu mir zurückgekommen. Das freut mich aber.“ Sie mustert mich keck.
    „Na ja, ich musste ja wegen meines Akkus zurück und damit zu Ihnen, da geht ja kein Weg dran vorbei.“
    Sie lächelt breit und sieht dabei aus wie eine Stute. Ich lasse es auf sich beruhen, hole den Akku und stratze zurück.
    Wieder geht es in den Wald und einen Berg hinauf, dann wieder hinab und weiter durch einen winzigen, stillen Ort, hinter dem sich der nächste Hügel erhebt. So geht das in einem fort. Das Wandern gerinnt zum puren Konditionstraining, hart an der Grenze zur Folter. Die Wege sind zermatscht und aufgewühlt, von breiten, tiefen Fahrspuren bis zur Unkenntlichkeit verwüstet. Und dann erreichen wir jene Stätte, wo sich riesige Brachialsaurier über den Wald hermachen und ihn vernichten. Der Lärm ist unerträglich. Gewaltige Raupenfahrzeuge greifen mit ihren Armen nach den bereits von anderen stählernen Helfern geschälten Stämmen und häufen sie auf ihrem Rücken zu gewaltigen Bergen auf. Es kracht, quietscht und donnert, und der Boden vibriert, wenn einer der

Weitere Kostenlose Bücher