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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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zumindest aus dieser Perspektive ein paar Fotos schießen. Zwei Jungs aus dem Schwäbischen, unverwechselbar in ihrem Dialekt, mit professionellen Fotoausrüstungen ausgestattet, gesellen sich zu uns, wie wir enttäuscht, dass man nicht mehr ins Innere gelangen kann. Wir schnacken eine Weile miteinander, doch es tut sich nichts weiter.
    Martin und ich sind schon halb wieder weg, da winkt uns einer der Schwaben mit seinem riesigen Teleskop zu sich heran und ruft: „Mensch, ich glaub’ wir kriegen eine Chance. Die machen gleich auf, da ist eine Führung zu Ende.“
    Jetzt höre ich auch Stimmen jenseits des Tores. Wenig später schwingt es auf, und eine kleine Gruppe tritt heraus. Der Burgführer fummelt bereits wieder an seinem Schlüsselbund und will abschließen, als ich ihn anspreche: „Guten Tag. Bevor sie abschließen, können wir kurz – nur für eine Minute – auf den Burghof, für ein paar Fotos?“
    „Nix“, entgegnet er, „der Laden ist jetzt geschlossen“, und schließt ab.
    „Nur für einen Moment – bitte“, flehe ich. „Wir sind auf einer Wanderung durch Deutschland. Sehen Sie die schweren Rucksäcke da? Mit denen sind wir extra den Berg hoch gelatscht, um uns diese Ruine anzuschauen. Seit einer halben Stunde stehen wir nun schon hier und warten. Es geht doch nur um ein, zwei Minuten“, bettele ich ihn an.
    „Nach 18 Uhr darf ich niemanden mehr reinlassen. Sie könnten ja vom Landesamt sein und mich überprüfen. Vor Jahren hatte ich mal so eine Kontrolle“, entgegnet er unbarmherzig.
    „Das glaube ich Ihnen nicht. Solange Sie hier sind, können Sie doch kassieren und die Menschen reinlassen. Das ist doch der Behörde scheißegal. Hauptsache, die Kasse stimmt. Wir zahlen auch Eintritt. Mann, wir kommen aus Hamburg und sind schon seit Wochen unterwegs!“
    „Für heute ist Schluss, und damit basta“, ist seine knappe Antwort, und die klingt sehr entschieden.
    Mich packt der Zorn: „Meine Güte, was sind Sie bloß für ein sturer Franke. Das gibt’s doch nicht! Wir waren doch vor sechs da, und Sie weisen uns Fernwanderer einfach ab.“
    „Ich bin kein Franke, bin Bayer“, erwidert er trocken.
    „Ist ja noch schlimmer“, entfährt es mir. „Da wird ja das Vorurteil von den dumpfen Bayern voll bestätigt. Hatte vor Jahren schon mal eine Begegnung mit ihren völlig ignoranten Volksgenossen. Die waren nicht mal bereit, deutsch mit mir zu reden. Sagen Sie mal, haben Sie vielleicht was gegen Fischköppe?“
    „Mir ist jeder recht, wenn er nur rechtzeitig da ist. Im Übrigen war ich schon mal in Hamburg und kenne die Gegend, aber jetzt ist Feierabend“, brummelt er und geht in sein Häuschen.
    „Hätt’ ich Sie in Hamburg getroffen, dann hätte ich Sie in die Elbe geschmissen. Ich kann die Bayern nämlich nicht ab“, bölke ich hinterher, und das war’s dann wohl.
    Martin und die beiden Jungs sagen gar nichts. Glotzen mich an wie einen Alien.
    „Was ist? Ihr wolltet doch auch rein. Hättet ja auch mal was sagen können“, entfährt es mir, doch dann beruhige ich mich, die Sache ist sowieso gelaufen.
    Ein paar Takte reden wir noch miteinander, dann verabschieden wir uns per Händedruck und streben auseinander. In diesem Moment öffnet sich die Tür des Häuschens, und unser liebenswerter Burgführer kommt auf uns zu.
    „Ich schließ’ euch auf. Ihr habt eine Viertelstunde Zeit. Seht euch um und sagt mir Bescheid, wenn ihr fertig seid.“
    Spricht’s, schließt das Tor auf und verschwindet wieder in seiner Hütte. Ich bin sprachlos, damit habe ich nicht gerechnet. Was ist denn in den gefahren? Habe ich den Bayer überzeugt? Hat ihm meine Bratzerei gefallen, weil das Granteln zur bayerischen Lebensart gehört? Respekt, ich habe ihn unterschätzt. Wie dem auch sei, wir machen uns freudig auf, um die Burgruine zu erobern.
    Die Zeit vergeht wie im Flug, auch wenn es nicht mehr zu sehen gibt als alte, verfallene Fassaden, Grundmauern und Torbögen. Dennoch, die Atmosphäre ist gespenstisch und das Gelände – ein Plateau auf dem höchsten Punkt des Berges – riesig. Beeindruckend die Sicht über den Rand der dicken Burgmauer hinunter nach Schnaittach und darüber hinaus in das dunkle Bergland der Fränkischen Schweiz. Man will hier nochmal hin, dort nochmal hin, und schon ist eine halbe Stunde um. Eilig kehren wir zurück, doch unser Burgführer beschwert sich nicht. Er redet sowieso nicht viel. Das Trinkgeld lehnt er dankend ab. Ein stolzer Mann!
    Es ist Zeit für das Nachtlager,

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