Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
eine sogenannte Kotztüte der BEA. Eng mit meinen Hieroglyphen bekritzelt. Eine kleine Stilübung in 2800 Meter Höhe, im Luftkorridor nach Berlin irgendwann in den letzten Wochen einmal nachgeholt, gar nicht unter dem Eindruck des Geschehenen entstanden und darum ziemlich – na: manieriert. Nun ja; der Vollständigkeit halber:
Ein Bettlaken, ein wenig schmuddelig; ein paar Flecken darauf: Rotwein, Lippenstift, Asche. Ein Laken auf einer flachen Liege. Auf dem Laken eine Zigarette, noch sieben Zentimeter lang, wovon zweikommadrei Zentimeter auf das Filtermundstück entfallen. Eine ganz gewöhnliche Zigarette wie Millionen andere auch. Die Zigarette brennt. Es ist drei Uhr morgens. Draußen sind die Vögel erwacht. Das Fenster steht weit offen. Der leichte Wind läßt die Gardinen flattern, fährt über das Gesicht eines Schlafenden, bringt den Glutkegel der Zigarette zum Aufleuchten. Es ist heiß und stickig in dem kleinen Raum. Alles mürbes Holz, ausgetrocknet, wurm zerfressen.
Die Wände aus Holz, die Decke aus Holz, der Boden aus Holz. Auf dem hölzernen Boden eine Rotweinflasche, leer. Zwanzig Zentimeter von der brennenden Zigarette eine gebräunte Hand. Eine junge Hand. Schlaff. Der Brandfleck auf dem Laken wächst und wächst. Wie eine Blume, die man im Zeitraffer filmt. Innen, wo die Zigarette wie ein Stempel sitzt, ist die Blume schwarz, dann durchläuft sie, immer heller werdend, viele Braunnuancen bis hin zum blassen Grüngelb ganz außen. Graue Zigarettenasche bröckelt ab, verliert sich auf der braunen Blume. Blaugrauer Rauch breitet sich aus. Ein Windstoß. Im Zentrum der Blume ist das Laken zu einer kleinen Falte aufgewölbt. Unter dieser Falte sitzt die Luft in einem flachen Polster. Dort durchsticht die fressende Glut das fliederfarbene Laken. Ein kleiner Krater entsteht. An seinem Rand verglimmt das Gewebe, stößt einen schwarzen Ring vor sich her, wuchert weiter, greift auf den blaugoldenen Bezug der alten Matratze über. Vor Jahrzehnten hat sie jemand mit Roßhaar gestopft. Heller, ätzender Qualm quillt hoch… Der Mann im Bett bemerkt nichts von alldem.
Robert Borkenhagen schlief so tief und fest wie immer. Kein Wunder bei diesem Rotweinrausch.
Hm… Gleichviel; das sollte drinbleiben, ebenso wie der nächste Zeitungsausschnitt, der mir gerade entgegenflattert. Ein Artikel aus dem Tagesspiegel, bei dem mir, als ich ihn morgens am Frühstückstisch las, der Bissen in der Kehle steckenblieb.
ICH BIN ES GEWESEN, HERR KOMMISSAR!
Sensationelle Wende im Mordfall Nedomanski Stiefbruder legt Geständnis ab
Der mysteriöse Mord an dem bekannten Arzneimittelhersteller Max Nedomanski ist aufgeklärt. Sein Stiefbruder, der 61 Jahre alte Apotheker Walter Nedomanski, hat in den späten Abendstunden ein umfassendes Geständnis abgelegt. Nach seinen Angaben ist er am Mordabend in das Schlafzimmer des Opfers eingedrungen, um dort dessen Testament zu suchen und zu vernichten. Wie berichtet war Max Nedomanski vorher nach einer Herzattacke zusammengebrochen, und der Arzt hatte ihm Bettruhe verordnet. Walter Nedomanski gab zu, seinen Stiefbruder mit Hilfe eines Kopfkissens erstickt zu haben, als dieser ihn daran hindern wollte, das fragliche Testament aus dem Safe zu nehmen. Sein Motiv ist klar: Wie das inzwischen aufgefundene Testament zeigt, sollte Walter Nedomanski enterbt werden. Nach dem geltenden Erbrecht hätte ihm nicht einmal ein Pflichtteil zugestanden. Hätte man jedoch nach dem Tode seines Stiefbruders kein Testament gefunden, wären ihm etwa 5 Millionen an Geld- und Sachwerten zugefallen.
Der nach einer aufregenden Verfolgungsjagd am Sonnabend in der Yorckstraße festgenommene Gelegenheitsarbeiter Manfred Raabe, gegen den sich der Verdacht ursprünglich gerichtet hatte, kommt nach Ansicht der Kriminalpolizei auf keinen Fall mehr für die Tat in Frage. Er bleibt aber wegen des Einbruchs in die Villa in der Badenallee weiterhin in Haft.
Lieber Gott, ja… Ich weiß noch, wie mir zumute war, als ich das las. Ich war bestürzt, denn ich hatte Walter Nedomanskis überraschende Inhaftierung noch immer für einen Irrtum meines Freundes Mannhardt gehalten. Und wenn Walter wirklich nach dem Testament gesucht hatte – das bewies noch gar nichts, denn zumindest Raabe hatte ebenfalls in Nedomanskis Schlafzimmer herumgestöbert. Und nun dieses Geständnis… Sollte er – sensibel und wohl auch manisch-depressiv, wie er war – ein falsches Geständnis abgelegt haben, um endlich
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