Von den Sternen gekuesst
vielleicht mal aus den Arbeitsklamotten rauswillst. Und außerdem hätte ich gern mein T-Shirt zurück.«
»Kannst du gerne haben, aber erst möchte ich duschen«, sagte Vincent. »Es rieselt nämlich noch immer Ton aus meinen Haaren, und das ist kein Witz.« Er fuhr sich mit der Hand durch das wellige schwarze Haar und verzog das Gesicht.
Das klang doch schon wieder ganz nach Vincent, keine Spur mehr vom fast leblosen Vincent der frühen Morgenstunden. »Hast du was gegessen?«, fragte ich und setzte mich zu ihm.
»Essen? Was kümmert mich Essen? Komm her«, sagte er, nahm meinen Kopf in beide Hände und drückte mir erst einen Kuss auf die Stirn, dann auf den Mund. Weil Papy uns beobachtete, war der Kuss zwar nur kurz, aber dafür sehr zärtlich. »Später mehr«, flüsterte er.
»Vincent, du solltest heute Nacht hierbleiben«, sagte Theo, der gerade eine eindrucksvolle Sammlung von Lieferservice-Flyern vor Papy und Bran ausbreitete. »Selbst wenn es dir schon besser geht, finde ich, solltest du erst morgen ins Hotel umsiedeln. Ich habe euren Rückflug für übermorgen angesetzt, morgens.«
»Das heißt, wir bleiben noch anderthalb Tage?«, fragte Vincent überrascht. »Ich bin davon überzeugt, dass Jean-Baptiste Jules und mich eher braucht.«
»Genau genommen«, erwiderte Theo streng und verschränkte die Arme, »hat Gaspard heute Morgen am Telefon darauf hingewiesen, dass Jean-Baptiste eine frühere Rückkehr nicht einmal zulassen würde. Du musst vollkommen wiederhergestellt sein, bevor du zurückfliegst, in geschwächtem Zustand bringst du dich nur selbst in Gefahr. Er hat darum gebeten, höchstpersönlich für deine Gesundheit zu sorgen, insofern spreche ich hier also ein Machtwort.«
Bran hielt ein paar der Flyer hoch und verkündete: »Es gibt hier durchaus zwei Speisekarten, die mich ansprechen.« Er warf einen erneuten Blick darauf. » Fat Sal’s und Burritoville . Und was bitte sind ›Bagels‹?«
Nach dem Essen kehrten Papy, Bran und ich ins Hotel zurück und fielen noch vor neun ins Bett. Wir waren alle völlig kaputt von den Ereignissen des Tages. Und wahrscheinlich hatte nicht nur ich mit den Folgen des Jetlags zu kämpfen.
Als wir am nächsten Morgen im Apartment eintrafen, erwarteten Theo und Vincent uns bereits. »Wo warst du denn so lange?«, murmelte Vincent und vergrub die Nase an meiner Schulter. »Du hättest doch auch hier frühstücken können.«
»Dabei habe ich noch gar nichts gegessen«, sagte ich lachend und erschauderte leicht, als Vincent mir mit den Lippen über das Ohr fuhr. »Papy und Bran schon, ich hab lieber eine halbe Stunde länger geschlafen. Aber wenn ich gewusst hätte, dass du schon auf den Beinen bist, wäre ich eher hergekommen.«
Er löste sich ein Stück von mir und lächelte mich an. »Ich bin doch immer auf den Beinen.«
»In diesem Fall meine ich das zur Abwechslung mal ganz wörtlich«, sagte ich und rollte mit den Augen. »Du bist ja schon wieder ganz der Alte. Wie fühlst du dich?«
»Großartig. Im Ernst. Wir hätten gut und gerne heute schon nach Paris zurückfliegen können, aber Theo besteht darauf, dass ich noch vierundzwanzig Stunden hierbleibe. Für den Fall der Fälle. Davon mal ganz abgesehen würde ich mich sehr darüber freuen, deine Heimatstadt ein bisschen kennenzulernen.« Er streifte sanft mit der Hand über meine Haare. »Du bist wunderschön«, sagte er.
»Das muss wohl an der Luft hier in New York liegen«, antwortete ich und lief rot an.
»Dann scheinen dir die vielen Abgase wirklich sehr gutzutun, ma chérie «, erwiderte er grinsend.
»Jules hat angeboten, sich meinen Anverwandten heute bei der Patrouille anzuschließen. Antoine, Bran und ich werden sicher den Großteil des heutigen Tages wieder im Museum verbringen«, sagte Theo. An Vincent gerichtet fragte er: »Und du willst wirklich das Apartment verlassen? Ich gebe dir auf jeden Fall einen Schlüssel mit, damit du jederzeit herkommen kannst, um dich auszuruhen.«
»Vielen Dank, Theo. Aber ich werde einfach schon im Hotel einchecken«, antwortete Vincent, schulterte die Macy’s-Einkaufstasche, nahm meine Hand und schon waren wir unterwegs in den Hausflur. Die anderen folgten uns.
»Falls etwas sein sollte, hast du ja meine Nummer«, sagte Theo, während er die Wohnungstür verschloss.
Papy und Bran wirkten überglücklich darüber, sich einen weiteren Tag mit der Sammlung beschäftigen zu können. Und von der Qualität ihrer Unterhaltung schloss ich darauf, dass auch
Weitere Kostenlose Bücher