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Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Titel: Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Heinzen
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Ladies, ihre Ärsche und Titten zu schwingen wie in einer Tabledance Bar. Das tun die freiwillig. Und warum?«
    »Weil sie stolz sind auf ihre Weiblichkeit«, antwortete Ingrid.
    »Okay, okay …« Michael zündete sich vor Aufregung eine Zigarette an, und keiner wagte, etwas zu sagen. Das hier war sein Reich. »Aber, und diese Frage ist mir wirklich wichtig: Warum gilt das verdammt noch mal nicht auch für uns Männer?! «
    »Wozu brauchst du so viele Gitarren, Michael?« Susanne war es sicher egal, dass hier fein säuberlich auf Ständern aufgereiht ein Dutzend Gitarren standen. Sie wollte einfach das Gespräch aus dem verminten Gelände führen.
    Leider spürte Michael die Signale nicht, endlich etwas über sein Leben zu erzählen, sondern begann mit einer Studiotour, indem er von Gitarre zu Gitarre schritt und uns Name, Hersteller und Produktionsjahr nannte. Ich fragte Michael, ob er auf den Gitarren ein bisschen spielen könnte, damit wir die Unterschiede im Sound hören würden. Aber Michael machte nur eine ungeduldige Geste, die mich an früher erinnerte, wenn der Mathelehrer die Klausur zurückgab und, statt die Noten bekannt zu geben, erst eine Stunde
lang die Aufgaben erklärte, während ich begriff, dass ich wie immer alles falsch gemacht hatte. So folgten wir Michael artig zur nächsten Gitarre, die sich von der letzten nicht unterschied, jedenfalls in unseren Augen. Michael forderte uns auf, den »Body« genau anzuschauen und ihn mit dem der letzten Gitarre desselben Herstellers zu vergleichen.
    »Die Maserung«, half Michael uns auf die Sprünge. »Die Maserung läuft in eine andere Richtung. Wenn ihr Fragen habt, fragt ruhig.«
    Alle schüttelten die Köpfe. Wir sehnten uns dem Ende dieser quälenden Schulstunde entgegen und wollten die Sache nicht noch durch unnötige Fragen in die Länge ziehen. Dabei hatten wir nicht einmal die Hälfte geschafft, weshalb Susanne vorpreschte und auf die unscheinbare, zerkratzte Akustikgitarre am Ende der Galerie zeigte.
    »Und was ist an der alten Klampfe so Besonderes?«
    »Klampfe?!« Mit einem schnellen Schritt verhinderte Michael, dass Susanne die Gitarre aus der Halterung nahm. »Das ist eine 1958er Martin . Die hat der Rhythmusgitarrist der Crickets gespielt.«
    »Mit dem Ding kann man Cricket spielen?!« platzte Andreas in den Probenraum.
    »Ich kann das hier auch abbrechen«, sagte Michael beleidigt, worauf wir abwehrend unsere Hände hoben und versicherten, uns würde das alles brennend interessieren.
    »Die Crickets waren die Band von Buddy Holly. Ich habe diese Gitarre gegen eine Eigentumswohnung getauscht.«
    Einen Moment lang waren wir sprachlos, selbst Andreas. Weshalb sich Michael bemüht fühlte, eine Erklärung abzugeben.
    »Mit der Wohnung gab’s nur Ärger. Sie stand monatelang leer, dann wohnten da Mietnomaden drin, die ich zuerst nicht rausbekam und die dann ein Drecksloch hinterlassen haben. Außerdem hatte ich die Wohnung geerbt.«
    »Vom Papa?« erkundigte sich Andreas mit einem spöttischen Lächeln.

    »Ich kann nichts dafür, dass mein Vater mit dem Patent für ein blutdrucksenkendes Medikament viel Geld gemacht hat«, verteidigte sich Michael. »Habe übrigens einen hohen Preis gezahlt für das Erbe. Mein Vater hatte nie Zeit für mich.«
    »Was für ein schweres Schicksal!« lästerte Andreas.
    »Was soll der Scheiß?!«
    »Das einzige Patent, das mein Vater mir hinterlassen hat, war das Patent zu scheitern. Aber das ist okay. In unserem Alter sollte man nicht mehr die Eltern für sein Leben verantwortlich machen.«
    »Aber das tue ich doch gar nicht!« verteidigte sich Michael.
    »Und warum ziehst du hier die Mitleidstour ab, weil dein Vater keine Zeit für dich hatte? Sei doch froh! Mein Vater hatte zu viel Zeit und ließ seine schlechte Laune an mir aus, so lange ich noch zu klein war, mich zu wehren.«
    »Tut mir leid!« lenkte Michael ein.
    »Das braucht es nicht. Ich habe auch kein Problem damit, wenn du dich schon zur Ruhe setzt. Ich könnte das nicht, wäre mir zu langweilig, den ganzen Tag mit Cappuccino-Trinken zu verbringen.« Andreas holte tief Luft, und wir dachten, damit wäre die Sache erledigt. Aber er war noch nicht fertig mit Michael. »Ich habe ein Problem mit Typen, die zwar langsam auf die Rente zugehen, aber immer noch mit langen Haaren rumlaufen und ihre verlängerte Pubertät mit der Rendite ihrer Häuser finanzieren, die sie nicht mal selbst gebaut haben.«
    Ingrid verdrehte die Augen. »Wenn das so weitergeht,

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