Von Flammen verzehrt
mit der Dunkelheit verschmolzen.
„Vertraust du ihm?“, fragte sie zögernd, während sie den Tunnel hinter sich nach seiner Gestalt absuchte.
Julien fuhr sich durchs Haar und zog sie mit sich in den Schatten an der Tunnelwand.
„Wenn man überall Feinde hat, Fay … vertraut man kaum noch jemandem. Wenn man aber niemandem mehr vertraut, weiß man am Ende nicht mehr, für was man überhaupt kämpft.“
Fay spürte, wie er den Kopf wandte, als blicke er selbst zurück in den Tunnel.
„Lamar ist nicht einfach. Die Jahrhunderte haben nicht nur ihn immer wieder an unserer Mission zweifeln lassen, sondern jeden von uns irgendwann an einen Punkt gebracht, an dem man zwischen Sinn und Unsinn nicht länger unterscheiden kann. Ich spüre seine Unruhe, Fay, aber er ist mein Bruder – und wenn ich ihm nicht vertrauen kann, dann niemandem.“
Er nahm ihr das Feuerzeug aus der Hand und trat zurück in die Mitte des Tunnels. Dann leuchtete er ihnen den Weg, der nun, so weit von der Fackel entfernt, wieder so dunkel war wie am Anfang. Fay verlor keine Zeit, ihm zu folgen. Nach einigen Metern machte der Kanal eine Biegung und fand sein abruptes Ende an einem großen Gitter, das den gesamten Durchgang versperrte.
Julien rüttelte an den Metallstäben, aber nichts geschah.
„Was jetzt?“, fragte Fay, als die Glocken der Kirche zur Mitternacht läuteten.
Als wäre dies das Signal gewesen, stiegen jenseits des Gitters zwei Feuersäulen bis an die Gewölbedecke und offenbarten ihnen eine verborgene Krypta.
Zwischen den Flammen stand der Wanderer. Er hatte die Arme zur Seite gestreckt wie eine Parodie auf den gekreuzigten Jesus. In den ledernen Gurten an seinem Körper steckten mehrere rubinrote Klingen.
Schließlich applaudierte er und verneigte sich vor Julien und Fay, die sich ihm aufgrund des Gitters nicht nähern konnten.
„Colombier, alter Freund, du bist meiner Einladung also gefolgt“, stellte er fest und trat beiseite, um ihnen den Blick auf Chloé zu gestatten, die mit nach oben gereckten Armen in Ketten an der Wand hinter ihm hing.
„Chloé!“, schrie Fay panisch und riss an den Gitterstäben.
„Du Schwein! Was hast du mit ihr gemacht?“, brüllte sie und schlug gegen das Metall.
Das kalte Lachen des Wanderers hallte dämonisch durch das unterirdische Verlies und zerrte an Fays Nerven. Sie weinte und schlug nach Julien, als der versuchte, sie zu beruhigen.
„Was willst du?“, fragte dieser und deutete mit einem Nicken auf Chloé. „Warum dieses Theater?“
„Es gefällt mir, dich hilflos zu sehen“, schlug der Wanderer vor und grinste diabolisch.
„Was lässt dich glauben, ich sei hilflos?“, fragte Julien und schob Fay entschlossen hinter seinen Rücken.
„Bist du es denn nicht? Beschreibe mir, was du fühlst, wenn du das siehst“, rief er lachend, drehte sich um und hob Chloés Gesicht an.
Fay schnappte nach Luft und presste sich die Hand auf den Mund, als sie die geschwollenen Lippen, die aufgeplatzte Augenbraue und das lila verfärbte Jochbein ihrer Schwester sah.
Julien biss die Zähne zusammen und fasste die Klingen fester. Fay sah die Mordlust, die ihm ins Gesicht geschrieben stand, weil er wusste, was dieser Psychopath meinte. Er war hilflos. Hilflos in seiner Wut und hilflos, zusehen zu müssen, als der Unsterbliche Chloé auf die Lippen küsste.
„Hör auf, du Wichser!“, brüllte Fay. „Lass sie gehen!“
Tatsächlich tat er, was Fay verlangte, aber das Leuchten in seinen Augen verriet, dass das Spiel genau nach seinem Plan verlief.
Er lachte und stellte sich wieder so hin, dass die Frau kaum hinter ihm zu sehen war.
„Keine Sorge, die süße Chloé und ich … wir … fangen gerade an, ein wenig Spaß miteinander zu haben.“
Fay weinte und drängte sich an die Metallstäbe.
„Hör zu!“, schrie sie verzweifelt. „Nimm mich, und lass sie gehen. Sie ist krank und unschuldig!“
„Fay!“, knurrte Julien wütend und zog sie vom Gitter weg. „Hör auf! Ich werde nicht zulassen, dass du dich ihm anbietest! Sei jetzt still und sieh nicht hin, wenn du es nicht ertragen kannst, denn deine Reaktion ist genau das, was er will!“
„Aber er bringt sie um!“, rief Fay und wischte sich die Tränen von der Wange.
Julien packte ihre Arme und zwang sie, ihn anzusehen.
„Ja, das tut er, weil ihm dein Schmerz gleich doppelt so viel Lust bereitet. Also reiß dich zusammen! Chloé wäre längst tot, wenn es nicht etwas gäbe, dass er von uns haben will.“
Als Fay
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