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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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das ist genau der Punkt: Rose war das Mädchen, das ich immer schon hatte sein wollen, aber aus Furcht vor meinem Vater oder davor, was meine Freundinnen über mich wohl denken mochten, nie gewesen war. Denn die Wahrheit ist: Ich bin irgendwie schräg. Ich war immer schon irgendwie schräg. Und als Rose durfte ich es endlich sein. Ich war ein schräges, rothaariges Mädchen à la Kerouac, aus dem man nicht so richtig schlau wurde und zu dem der unpassende Name Rose perfekt passte.
    Und es gefiel mir so.
    Und dann begegnete ich Grace Humm.
    Grace Humm war meine Tutorin. Es fühlte sich seltsam an, sie bei ihrem Vor- und Nachnamen zu nennen. In St. Jude’s redete man alle immer mit Miss oder Sir an. Vornamen gab es dort keine. Aber im College of North London wurden wir wie Erwachsene behandelt, wozu offensichtlich auch gehörte, dass wir die Vornamen unserer Lehrer wussten.
    Ich sah Grace das erste Mal an meinem ersten Unterrichtstag am College und ging ihr die nächsten drei Wochen aus dem Weg. Mal huschte ich schnell in ein Klassenzimmer, mal schloss ich mich auf der Toilette ein, und einmal versteckte ich mich sogar hinter einem Abfalleimer in der Cafeteria. Aber als ich ihr dann schließlich begegnete, wünschte ich mir, es wäre schon früher geschehen. Wenn Rose mir nämlich ermöglichte, schräg zu sein, so brachte Grace mir bei, mit Lust und Selbstbewusstsein aus der Reihe zu tanzen. Mich mit meinem schrägen Stil zu schmücken. Ihn wie eine Feder im Haar zu tragen.
    Wenn ich jemals richtig erwachsen werde, dann möchte ich so sein wie Grace Humm.
    Doch das wusste ich damals noch nicht. Alles, was ich im Kopf hatte, war Juliet; da fand ich es reichlich überflüssig, mich mit einer Lehrerin zusammenzusetzen und mit ihr darüber zu reden, wie es denn bei mir in den Kursen so lief und an welchen Universitäten ich mich bewerben wollte. Ich würde auf keine Universität gehen. Ich würde auch nicht mehr sehr lange auf dem College bleiben. Noch zwei – vielleicht drei – Wochen, und dann wäre alles vorbei. Ich würde wieder verschwinden, und es würde ihr noch nicht mal auffallen. Aber das war mein erster Fehler: zu glauben, dass sie mich nicht weiter beachtete.
    Eines Tages kam sie auf mich zu, als Juliet und ich vor unseren Schließfächern standen und darüber diskutierten, wie wir Sid dazu kriegen konnten, Sushi zu probieren.
    »Sag mal, Rose, gehst du mir aus dem Weg?«
    Juliet und ich tauschten einen Blick aus, und ich überlegte kurz, ob ich davonrennen sollte, aber als ich sah, wie viele Leute sich im Flur drängelten, blies ich stattdessen nur eine riesige Blase mit meinem Kaugummi.
    »Hallo, Miss«, sagte ich und schleuderte ein Buch in mein Schließfach.
    »Hallo, Rose«, sagte sie. »Na, da bin ich aber erleichtert, dass wir so problemlos miteinander reden können. Ich dachte, du würdest jetzt vielleicht verlegen rumdrucksen.« Sie legte die Stirn in falsche Sorgenfalten. »Ich hab nämlich schon befürchtet, nach der Einschreibung hätte ich dich etwas zu sehr bedrängt mit meinen ganzen Anrufen und ständigen E-Mails. Mein Exmann hat mir immer vorgeworfen, zu viel Aufmerksamkeit zu verlangen. Bin ich dir zu nahe gerückt, Rose? Hab ich dich verschreckt?«
    Mühsam unterdrückte ich ein Kichern, während ich mein Schließfach zusperrte. »Es ist nicht Ihre Schuld, Miss. Es liegt an mir.«
    »Wohin gehst du denn?«, fragte sie, als Juliet und ich aufbrachen. »Verlass mich nicht, Rose! Verlass mich nicht, so wie er es getan hat.« Ihre Absätze klapperten auf dem Fliesenboden, als sie uns folgte.
    »Ich hab jetzt gleich Soziologie.«
    Sie guckte auf die Uhr. »Erst um elf.«
    »Ja, aber vorher muss ich noch was erledigen.«
    Sie stellte sich vor mich, sodass ich nicht mehr so leicht an ihr vorbeikonnte. »Die Besprechung in meinem Büro?«
    »Nein.« Ich deutete über ihre Schulter. »Was Wichtiges da drüben.«
    »Ach ja, das. So wichtig, dass ich wohl deine Mutter anrufen muss, wenn du jetzt nicht mit mir in mein Büro kommst.«
    Ich seufzte und warf Juliet einen genervten Blick zu. »Lauf! Rette sich, wer kann.«
    Was ich ihr nicht zweimal sagen musste. Kaum war Juliet im Gang verschwunden, drehte sich Grace mit einem breiten Lächeln zu mir. »Ist sie wirklich mit Sid King zusammen?« Als ich nickte, lachte sie. »Sid und Nancy! Wie süß!«
    »Ja. Total süß. Erzählt man sich nicht auch, dass sie miteinander schlafen?«
    »Oh, oh«, sagte sie in so einem ganz besonderen Tonfall.
    Ich

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