Von Göttern und Dämonen: Am Anfang war der Nebel (Erstes Buch)
Erde hat den Eingang nun für uns frei gegeben.“
„Nicht schlecht“, sagte Robert staunend, als sie sich in die Nekropole begaben.
Die Steintreppe führte sie einige Stufen hinab in die Katakomben. Der Gang war relativ schmal, vielleicht einen Meter fünfzig breit. Auf beiden Seiten der Wände befanden sich in den Stein gehauene Nischen. Die verwinkelten Gänge mündeten in kreisrunde Kreuzungen, in deren Mitte sich offene Sarkophage befanden. Die Luft war muffig und roch nach Tod und Verwesung.
Sie pressten sich die Ärmel ihrer Kleidungsstücke vor die Nase und atmeten durch den Stoff, um sich nicht übergeben zu müssen. Nach einiger Zeit stellten ihre Nasen quasi auf „taub“ und sie konnten die bedrückenden Gerüche etwas besser ertragen.
An den Wänden waren Fac keln befestigt, sodass sie gut sehen konnten, nachdem sie sie angezündet hatten. Manchem wäre es lieber gewesen, nicht so gut zu sehen. An die Knochen und Schädel, die sich zu Hunderten in den Nischen der Wände türmten, waren sie ja schon von der „Außenwelt“ gewöhnt.
Was jedoch wirklich schockierend war, waren die mumifizierten Leichen der besser gestellten Bürger, des Adels und des Klerus, die sie im flackernden Schein der Fackeln aus den Nischen anstarrten.
Je nach Kunst des Präparators und Alters waren sie mehr oder weniger gut erhalten. Teilweise blickten sie in die leeren Augenhöhlen von skelettierten Schädeln, die in prächtigen Kleidern gewandet in den Nischen hockten. Teilweise spannte sich noch vertrocknete, rissige Haut über die Knochen und ließ den Anblick des Mumifizierten erahnen, als er noch am Leben war. Am schockierendsten aber waren die Gesichter derjenigen, die noch sehr gut erhalten waren. Blass, etwas eingefallen, aber als ob sie noch lebten, obwohl die Inschriften besagten, dass sie schon mehrere hundert Jahre ihren Todesschlummer schliefen. Es gab auch einige mumifizierte Kinder und Säuglinge. Alex erlitt jedes Mal einen brennenden Stich ins Herz, wenn er die Kinder ansehen musste.
So kämpften sie sich schweigend durch die Gänge, Arnold führte sie an. Er hatte die ungefähre Position der Medusa am Dom mit dem Kompass vermessen und versuchte nun, den Gängen in diese Richtung zu folgen. Schaudernd verwarf Alex den Gedanken, wie sie jemals wieder ohne den Kompass oder Arnold hier herausfinden sollten.
Raum und Zeit verschwammen, die Katakomben nahmen sie mit ihrem morbiden, tödlichen Charme gefangen und drückten die Stimmung auf den absoluten Nullpunkt. Tod überall um sie herum, in Richtung des Todes waren sie unterwegs. Sogar der immer neugierige und verspielte Spot ließ sich von der düsteren Atmosphäre einfangen. Er ließ Kopf und Rute hängen und trottete, unsicher um sich blickend, der Gruppe hinterher. Auch Robert schien in Gedanken versunken und war wie Alex völlig stumm. Einzig Ben blickte neugierig durch die Gegend und sah sich die Mumien näher an .
’Privileg der Jugend’ , dachte Alex ‚keine Angst vor dem Tode und dem Grauen gegenüber aufgeschlossen.’“ Lange war es her, dass er selbst auch dieses Unsterblichkeitsgefühl gespürt hatte, das Ben vielleicht nun empfand.
Plötzlich blieb Arnold stehen und wandte sich flüsternd der Gruppe zu.
„Wir müssten nun in der Nähe des Domes sein. Dort vorne kommt wieder eine Kreuzung, aber diesmal gehen acht statt nur vier Wege ab. Ich kann mit dem Kompass nicht bestimmen, welcher der Richtige sein könnte, wir müssen uns umschauen und die Gegend absuchen.“
So schwärmten sie aus und untersuchten vorsichtig die Einmündungen der Gänge und die Mauern nach Hinweisen auf Tore oder Zugänge zum Dom. Doch sie fanden nichts und die Toten schwiegen. Sie trafen sich wieder in der Mitte der Kreuzung um sich zu beraten.
„Wir sollten so schnell als möglich hier heraus“, knurrte Robert. „Die Stimmung drückt mir aufs Gemüt und ich bin hungrig und durstig. Und ehe ich hier, in dieser ehrenwerten Gesellschaft etwas essen würde, würde ich lieber verhungern und verdursten!“
Er hatte Recht, sie mussten nun schon fast einen Tag unterwegs gewesen sein, ohne etwas zu sich zu nehmen.
„Hat denn Keiner irgendetwas gesehen, einen Hinweis oder eine Medusa?“ , fragte Alex und erntete nur Kopfschütteln.
„Rasten wir kurz und überlegen, wie wir weiter vorgehen sollen. Es muss den Gang geben, ansonsten hätten wir nicht den Zugang in der Gruft
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