Von Rache getrieben - Vampirroman (German Edition)
geschlafen, sich das Anwesen angesehen und jede Stunde, die er mit Sarah verbracht hatte, genossen.
Gestern Abend hatten er und Lyonel sich noch einmal im Schachspiel gemessen, und jeder von ihnen hatte zwei Mal gewonnen und zwei Mal verloren.
Nach dem Spiel war Lyonel aufgestanden, hatte ihm auf die Schulter geklopft und gesagt:
„Komm gut nach Hause.“
Seitdem hatte Niklas ihn nicht mehr gesehen, aber er befürchtete, dass es kein Abschied für immer gewesen war. Wenn er sich hätte sicher sein können, dass der Vampir seine Mutter in Ruhe lassen würde, hätte er sich sogar auf ein Wiedersehen mit Lyonel gefreut, denn eigentlich mochte er den Vampir - aber so hatte er ein flaues Gefühl in seiner Magengegend. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass eine Beziehung mit einem Vampir gut ausgehen würde.
Lyonel und er hatten nicht mehr über seine Mutter gesprochen, hatten dieses Thema bewusst vermieden, da ihnen klar war, dass sie sich wegen Rachel streiten würden, dass sie niemals auf einen Nenner kommen würden.
„Hallo?“, riss Sarah ihn aus seinen Gedanken. „Du solltest langsam einsteigen, sonst fährt der Zug noch ohne dich ab.“
‚Worüber ich gar nicht böse wäre’, fügte sie still hinzu.
„Entschuldige“, meinte Niklas und lächelte Sarah an. „Ich war gerade etwas abwesend. Wolltest du mir nicht noch die Adresse von dem Hotel geben, in dem du in zwei Monaten sein wirst?“
„Ich dachte schon, du fragst nie“, antwortete die junge Frau mit leuchtenden Augen und zog einen Zettel aus ihrer Gesäßtasche, den sie ihm überreichte. „Ich wollte mich dir ja nicht aufdrängen.“
Niklas atmete tief durch und blickte in Sarahs braungrüne Augen, die ihn jedes Mal aufs Neue faszinierten. In Wahrheit faszinierte ihn alles an Sarah und wegen ihr hatte er sogar überlegt, noch etwas länger zu bleiben. Da er jedoch wusste, dass seine Mutter sich noch immer um ihn sorgte und auf ihn wartete, hatte er sich dagegen entschieden. Zumal er ihr im letzten Jahr durch seine eigenwillige Jagd einiges zugemutet hatte. Er wusste, dass sie ihm erst glauben würde, dass wirklich alles vorbei war, wenn sie ihn gesehen und persönlich mit ihm gesprochen hatte. Außerdem war da noch Lyonel. Niklas hatte das Gefühl, dass er, je länger er blieb und je besser er sich mit dem Vampir verstand, ihn dadurch nur noch mehr ermutigen würde, einen Annäherungsversuch an seine Mutter zu wagen.
„Niklas?“, riss Sarah ihn erneut aus seinen Gedanken, woraufhin dieser sich räusperte und erklärte:
„Du drängst dich nicht auf Sarah und ich freue mich schon sehr darauf, dich wiederzusehen.“
Er steckte den Zettel in seine eigene Hosentasche und plötzlich breitete sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. Er tätschelte seinen Bauch und meinte:
„Ich hoffe, du musst in Lindau nicht nur arbeiten und hast genügend Zeit, mich zu bekochen … und natürlich auch, um mit mir wandern zu gehen.“
„Die nehme ich mir einfach“, antwortete Sarah schmunzelnd, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Pass auf dich auf, Niklas.“
„Du auch, Sarah.“
Er steckte ihr lächelnd eine Haarsträhne, die der leichte Wind ihr ins Gesicht geweht hatte, hinters Ohr, griff nach seiner Reisetasche und betrat den Zug. Niklas schaffte es gerade noch, ein freies Abteil zu finden und aus dem Fenster zu sehen, bis der Zug anfuhr.
Als Sarah ihn am Fenster entdecke, winkte sie ihm zu und er tat automatisch dasselbe. Nachdem sie aus seinem Blickfeld verschwunden war, verstaute er seine Tasche und nahm seinen Rucksack ab. Da er alleine in dem Abteil war, legte er seine Füße auf die gegenüberliegende Sitzbank und machte es sich bequem.
Seine Gedanken drehten sich nach wie vor um die letzten Tage, und die Frage, wie Lyonel sich nun verhalten würde. Niklas konnte einfach an nichts anderes mehr denken und allmählich ging er sich mit seinen Grübeleien selbst auf die Nerven.
Niklas’ Blick fiel auf seinen Rucksack und aus irgendeinem Grund musste er plötzlich an das Familienfoto denken, welches er in die Seitentasche gesteckt hatte. Er griff nach dem Rucksack, um das Foto herauszuholen – und war nicht wirklich überrascht, dass es nicht mehr da war.
„Lyonel“, flüsterte er und schloss seine Augen. Niklas konnte nicht genau sagen, warum, aber jetzt wusste er mit Sicherheit, dass er in zwei Monaten nicht nur Sarah, sondern auch den Vampir wiedersehen würde.
E N D E
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