Von Rache getrieben - Vampirroman (German Edition)
möglich von dem Vampir fernhalten. Aber eigentlich glaubte Rachel nicht, dass Lyonel jemals so handeln würde. Denn wenn es ihm nur um Sex ginge, wäre er schon vor Jahren über sie hergefallen, und hätte sie danach vergessen.
Aber Rachel hatte dennoch Angst. Angst davor, dass Lyonel sie verwandeln und zu einem Geschöpf der Nacht machen könnte. Rachel liebte das Sonnenlicht, liebte es, die warmen Strahlen auf ihrer Haut zu spüren. Auf der Suche nach Inspirationen für ihre Malerei wanderte sie oft stundenlang durch die sonnenbeschienene Natur. Rachel konnte sich einfach nicht vorstellen, nur noch in der Dunkelheit nach draußen gehen zu können oder Blut trinken zu müssen, um zu überleben. Und auf keinen Fall wollte sie Niklas und ihre zukünftigen Enkel beim Altern und Sterben zusehen müssen.
Langsam ging Rachel zum Spiegel, der im Schlafzimmerschrank eingelassen war, und blickte tief in ihre eigenen Augen. Die Vernunft sagte ihr, dass sie rennen sollte, weit weg. Irgendwohin, wo der Vampir sie nicht finden würde. Doch ihr Herz und ihr Körper sehnten sich danach, von Lyonel geliebt zu werden.
Als ihr Blick auf das Spiegelbild ihres Nachtschränkchens fiel, ging sie zu diesem und zog die oberste Schublade auf. Sie griff nach einem Spitzentaschentuch, faltete es auseinander und holte Lyonels Ring - den er ihr vor Jahren geschenkt hatte - daraus hervor. Der zehn Zentimeter breite Edelstahlring glänzte silbern und hatte keinerlei Gravuren, doch dafür zierten sechs kleine Diamanten in Form eines Kreuzes das Schmuckstück. Rachel betrachtete den Ring eine Weile und schob ihn schließlich auf den Ringfinger ihrer linken Hand. Danach hauchte sie einen Kuss auf den Ehering an ihrer rechten und flüsterte:
„Ich werde dich nie vergessen, Marcel. Du wirst immer in meinem Herzen sein.“
Nach diesen Worten stand Rachel auf und ging ins Badezimmer, um sich für den Abend zurechtzumachen. Es waren nur noch zwei Stunden, bis sie Lyonel gegenüberstehen würde, und bei diesem Gedanken wurde ihr flau im Magen.
Als Eric vor Niklas’ Haustür hielt, stand dieser bereits draußen und wartete auf ihn. Er riss die Beifahrertür auf und ließ sich auf den Sitz fallen. Noch bevor sich der Wagen in Bewegung setzte, meinte er:
„Ich kann auch fahren, Silvo.“
Eric warf einen Blick auf die Finger seines Freundes, mit denen dieser nervös auf seinen Oberschenkeln trommelte, und schüttelte entschlossen seinen Kopf.
„Nein danke! Ich möchte nicht vor dem nächsten Baum landen und auch nicht unsere Mitmenschen gefährden.“
Niklas stellte das Trommeln ein, begann dafür allerdings, angespannt mit seinem rechten Bein zu wippen.
„Wieso? Ich bin nicht nervös.“
„Natürlich nicht, Alter. Ich lass dich trotzdem nicht ans Steuer.“
Als Niklas das amüsierte Grinsen seines Freundes bemerkte, zog er es vor, zu schweigen und aus dem Seitenfenster zu blicken. Er war nervös, und er hatte das Gefühl, jeden Moment vor Anspannung auseinandergerissen zu werden.
Als sie auf den Hof seines Elternhauses fuhren, dämmerte es bereits. Gerade als Niklas aussteigen wollte, um seiner Mutter Bescheid zu sagen, dass sie da waren, trat sie aus der Haustür. Im Licht zweier Lampen rechts und links der Tür war deutlich zu erkennen, wie blass sie war. Sie trug ein elegantes, schwarzes Kleid, das bis zu ihren Knien reichte und ihr Dekolleté wurde von feiner, netzartiger Seide bedeckt.
Bei ihrem Anblick fragte sich Niklas unwillkürlich, ob Sarah heute Abend auch ein Kleid trug. Er stieg aus und öffnete seiner Mutter die Hintertür des Wagens, da er wusste, dass sie sich nicht nach vorne setzen würde. Er legte seine Hand auf ihren Arm und fragte:
„Bist du dir noch immer sicher, dass du Lyonel treffen möchtest?“
„Ja“, bestätigte sie mit einer Stimme, die sicherer klang, als Niklas es erwartet hätte. Deswegen nickte er nur und setzte sich wieder nach vorne neben Eric, nachdem seine Mutter in den Wagen gestiegen war.
Niklas hatte ein gutes, aber nicht allzu vornehmes Restaurant ausgewählt, das direkt am Bodensee lag, und auf der Terrasse einen abseits liegenden Tisch reserviert, damit sie sich ungestört unterhalten konnten. Auf dem Parkplatz des Restaurants stand bereits Lyonels Van, und da Rachel und Niklas die Präsens des Vampirs nur zu deutlich spüren konnten, stieg ihre Nervosität noch weiter an.
Als sie die hell erleuchtete Außenterrasse betraten, entdeckten sie Sarah, Lyonel und Martin auf einer Aussichtsplattform, die bis
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