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von Schirach, Ferdinand

von Schirach, Ferdinand

Titel: von Schirach, Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verbrechen
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Hosenträger, die aus Streifen
von Menschenhaut geschnitten waren, man konnte darauf Brustwarzen
identifizieren. Wie viele Opfer es gab, ist bis heute unbekannt.
    »Patrik, haben Sie schon einmal etwas von dem Japaner Issei
Sagawa gehört?«
    »Nein, wer ist das?«
    »Sagawa ist heute Restaurantkritiker in Tokio.«
    »Ja, und?«
    »1981 hat er seine Freundin in Paris
aufgegessen. Er hat gesagt, er habe das Mädchen zu sehr geliebt.«
    »Hat er sie ganz gegessen?«
    »Zumindest einige Stücke.«
    »Und«, Patriks Stimme
vibrierte, »hat er gesagt, wie es war?«
    »Ich weiß es nicht mehr genau.
Ich glaube, er hat gesagt, sie habe nach Thunfisch geschmeckt.«
    »Ah...«
    »Die Ärzte diagnostizierten
damals eine schwere psychotische Störung.«
    »Habe ich das auch?«
    »Ich weiß es nicht genau, aber
ich will, dass Sie zu einem Arzt gehen.« Ich schaltete das Licht an. »Warten
Sie bitte, ich hole Ihnen die Nummer des psychiatrischen Notdienstes. Wenn Sie
wollen, fahre ich Sie jetzt dorthin.«
    »Nein«, sagte er. »Ich möchte erst nachdenken.«
    »Ich kann Sie nicht zwingen.
Aber bitte kommen Sie morgen früh in die Kanzlei. Ich gehe mit Ihnen zu einem
vernünftigen Psychiater. Einverstanden?«
    Er zögerte. Dann sagte er,
dass er komme, und wir standen auf. »Darf ich Sie noch etwas fragen?«, sagte
Patrik und wurde ganz leise. »Was passiert, wenn ich nicht zu einem Psychiater
gehe?«
    »Ich fürchte, es wird schlimmer«, sagte ich. Ich schloss
die Tür zur Kanzlei wieder auf, um die Telefonnummer herauszusuchen und den
Aschenbecher zurückzubringen. Als ich zurück ins Treppenhaus trat, war Patrik
verschwunden.
     
    Er kam auch am nächsten Tag
nicht. Eine Woche später erhielt ich einen Brief und einen Scheck seiner
Mutter. Sie entzog mir das Mandat, und da das Schreiben auch von Patrik
unterzeichnet war, war es gültig. Ich rief Patrik an, aber er wollte nicht mit
mir sprechen. Schließlich legte ich die Verteidigung nieder.
     
    Zwei Jahre später hielt ich in
Zürich einen Vortrag. In einer Pause sprach mich ein älterer Strafverteidiger
aus St. Gallen an. Er nannte mir Patriks Namen und fragte mich, ob er mein
Mandant gewesen sei, Patrik habe so etwas gesagt. Ich fragte, was passiert sei.
Der Kollege sagte: »Patrik hat vor zwei Monaten eine Kellnerin getötet, das
Motiv ist bis jetzt noch völlig unklar.«
     
    Der
Äthiopier
     
    Der bleiche Mann saß mitten
auf dem Rasen. Er hatte ein merkwürdig schiefes Gesicht, abstehende Ohren und
rote Haare. Seine Beine waren ausgestreckt, die Hände lagen im Schoß und
hielten ein Bündel Geldscheine umklammert. Der Mann starrte auf einen faulenden
Apfel, der neben ihm lag. Er beobachtete die Ameisen, die kleine Stücke herausbissen
und abtransportierten.
    Es war kurz nach zwölf Uhr an
einem dieser fürchterlich heißen Hochsommertage in Berlin, an denen kein
vernünftiger Mensch mittags freiwillig vor die Tür gehen würde. Der schmale
Platz zwischen den Hochhäusern war künstlich von den Stadtplanern geschaffen
worden, die Glas-Stahl-Bauten reflektierten die Sonne, und die Hitze staute
sich über dem Boden. Der Rasensprenger war ausgefallen, das Gras würde bis zum
Abend verbrannt sein.
    Niemand beachtete den Mann,
auch nicht, als die Alarmsirene der gegenüberliegenden Bank losheulte. Die
drei Funkstreifenwagen, die kurze Zeit später eintrafen, rasten an ihm vorbei.
Polizisten rannten in die Bank, andere sperrten den Platz, immer mehr von ihnen
trafen ein.
    Eine Frau im Kostüm kam mit
Polizisten aus der Bank. Sie legte eine Hand über die Augenbrauen, um sich vor
der Sonne zu schützen, suchte mit ihren Blicken den Rasen ab, und schließlich
zeigte sie auf den bleichen Mann. Der Strom der grünen und blauen Uniformen
formierte sich schlagartig in Richtung ihrer ausgestreckten Hand. Die
Polizisten schrien den Mann an, einer zog seine Dienstwaffe und brüllte, er
solle die Hände hochheben.
     
    Der Mann reagierte nicht. Ein
Polizeihauptmeister, der den ganzen Tag auf dem Revier Berichte geschrieben und
sich gelangweilt hatte, rannte zu ihm, er wollte der Erste sein. Er warf sich
auf den Mann und drehte ihm den rechten Arm auf den Rücken. Geldscheine flogen
durch die Luft, Befehle wurden geschrien und nicht beachtet, und dann standen
sie alle um ihn herum und sammelten das Geld ein. Der Mann lag auf dem Bauch,
der Polizist presste ihm das Knie in den Rücken und drückte sein Gesicht ins
Gras. Die Erde war warm. Zwischen den Stiefeln konnte der Mann jetzt

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