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von Schirach

von Schirach

Titel: von Schirach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schuld
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zwei Uhr mittags eintraf, konnte die
Vernehmung beginnen. Ich riet Bathowiz ab, sich vernehmen zu lassen. Er wollte
trotzdem aussagen.
     
    »Sie heißen?« Kriminalkommissar Pätzold sah gelangweilt aus, aber er war
hellwach. Der Dolmetscher übersetzte jede Frage und jede Antwort. »Jan
Bathowiz.«
    Pätzold ging die Personalien durch, er hatte den Pass prüfen lassen, er
schien echt zu sein. Seit gestern lief eine Anfrage an die polnischen Behörden,
ob gegen Bathowiz etwas vorlag. Aber wie immer dauerten solche Anfragen ewig.
    »Herr Bathowiz, Sie wissen, weshalb Sie hier sind.«
    »Ihre Polizisten haben mich hergebracht.«
    »Ja. Wissen Sie, wieso?«
    »Nein.«
    »Woher
haben Sie die Fotos?«
    »Welche
Fotos?«
    »Wir haben in Ihrem Aktenkoffer achtzehn Fotos gefunden.«
    »Das ist nicht mein Aktenkoffer.«
    »Aha. Wem gehört der Aktenkoffer denn?«
    »Einem Geschäftsmann aus Witoslaw, meiner Heimatstadt.«
    »Wie heißt der Geschäftsmann?«
    »Das weiß ich nicht. Er hat mir die Aktentasche gegeben und gesagt, ich
solle sie nach Berlin bringen.«
    »Sie
müssen doch wissen, wie er heißt.«
    »Nein,
ich musste das nicht wissen.«
    »Warum?«
    »Ich traf ihn in einer Bar. Er hat mich dort angesprochen, er bezahlte
sofort und in bar.«
    »Wussten Sie, was auf den Fotos ist?«
    »Nein, den Aktenkoffer habe ich verschlossen bekommen. Ich habe keine
Ahnung.«
    »Sie haben nicht reingesehen?«
    »Er war zu.«
    »Das Schloss war doch offen. Sie hätten reinsehen können.«
    »So etwas mache ich nicht«, sagte Bathowiz.
    »Herr Pätzold«, sagte ich, »was wird dem Mandanten eigentlich
vorgeworfen?«
    Pätzold sah mich an. Das war der Punkt, er wusste es natürlich.
    »Wir haben die Bilder untersuchen lassen. Professor Lanninger sagt, die
Leichen seien sehr wahrscheinlich echt.«
    »Ja?«, sagte ich.
    »Was meinen Sie mit Ja? Ihr Mandant hatte Fotos von Leichen in seiner
Aktentasche. Von gepfählten Leichen.«
    »Ich habe immer noch nicht verstanden, was der Vorwurf ist. Transportieren
von Leichenfotos aus einem Farbdrucker? Lanninger ist kein Experte für
Photoshop, und sehr
wahrscheinlich heißt nicht sicher. Und selbst wenn es echte
Leichen gewesen sein sollten, ist es nicht verboten, Bilder von ihnen zu haben.
Es gibt schlicht keinen Straftatbestand.«
    Pätzold wusste, dass ich recht hatte. Ich konnte ihn trotzdem verstehen.
    Wir hätten in diesem Moment gehen können. Ich stand auf und nahm meine
Aktentasche. Aber dann tat mein Mandant etwas, was ich nicht verstand. Er
legte mir eine Hand auf den Unterarm und sagte, der Kommissar solle ruhig
fragen. Ich wollte eine Unterbrechung, aber Bathowiz schüttelte den Kopf. Er
sagte: »Lassen Sie ruhig.«
    Pätzold fragte weiter: »Von wem ist der Aktenkoffer?«
    Bathowiz: »Von dem Mann in der Bar.«
    »Was sollten Sie damit machen?«
    »Das habe ich schon gesagt: Ich sollte ihn nach Berlin bringen.«
    »Hat der Mann Ihnen gesagt, was in dem Koffer ist?«
    »Ja, hat er.«
    »Was?«
    »Er sagte, es seien Baupläne für ein großes Projekt. Es ginge um viel
Geld.«
    »Baupläne?«
    »Ja.«
    »Warum hat er die Pläne nicht mit Kurier geschickt?«
    »Das habe ich auch gefragt. Er sagte, er traue den Kurieren nicht.«
    »Wieso?«
    »Er hat gesagt, die Kuriere in Polen würden immer für zwei Seiten
arbeiten. Es sei ihm lieber, wenn ein Fremder, der niemanden kennt, die Sachen
fährt.«
    »Wo sollten Sie die Bilder hinbringen?«
    Bathowiz zögerte keine Sekunde. Er sagte: »Nach Kreuzberg.«
    Pätzold nickte, er schien am Ziel: »Zu wem nach Kreuzberg. Wie heißt er?«
    Ich verstehe kein Polnisch, aber ich verstand den Tonfall von Bathowiz. Er
war ganz ruhig. »Ich weiß nicht. Ich sollte am Montag um 17:00 Uhr in eine Telefonzelle
gehen.«
    »Wie bitte?«
    »Mehringdamm, Yorkstraße.« Diese Worte sagte er auf Deutsch. Dann wieder
auf Polnisch: »Dort soll eine Telefonzelle sein. Ich soll morgen um fünf Uhr
nachmittags dort sein, dann kommt dort der Anruf an, und ich werde alles
Weitere erfahren.«
    Pätzold fragte noch eine weitere Stunde. Die Geschichte veränderte sich
nicht. Bathowiz blieb weiter freundlich, er beantwortete jede Frage höflich,
nichts brachte ihn aus der Ruhe. Pätzold konnte seine Angaben nicht widerlegen.
    Bathowiz wurde erkennungsdienstlich behandelt. Der Computer wusste nichts
über ihn. Die Anfrage aus Polen kam zurück, es schien alles in Ordnung. Pätzold
musste Bathowiz entlassen oder ihn dem Richter vorführen. Der Staatsanwalt
lehnte es ab,

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