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Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Titel: Voodoo Holmes Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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Saal­wäch­ter mel­de­te die­se Be­ob­ach­tung sei­nem Vor­ge­setzten, der sich die Sta­tue an­sah und sie zwar le­bens­echt, aber of­fen­sicht­lich leb­los fand, und den Fall als Hirn­ge­spinst ab­tat. Die La­ger aber än­der­te sich, als ei­ni­ge Tage später ge­ra­de in je­nem Saal eine rie­si­ge Schlan­ge, eine Boa con­stric­tor, ge­fun­den wur­de, die nach Alar­mie­rung von Schutzein­hei­ten ein­ge­fan­gen und durch den Saal ge­schleif­te wer­den konn­te, dann aber den hilf­rei­chen Hän­den ent­glitt und durch die Ka­na­li­sa­ti­on ent­kam. Ei­ni­ge Wo­chen später brach im Mu­se­um ein Feu­er aus und vie­le Ex­po­na­te ver­brann­ten. Auch der afri­ka­ni­sche Saal wur­de vom Brand er­grif­fen. Als die Lösch­mann­schaf­ten in den ruß­ge­färb­ten Saal vor­dran­gen, fan­den sie in­mit­ten ver­kohl­ter Res­te et­was Le­ben­des: Die eif­rig zün­geln­de, hoch er­reg­te Schlan­ge, die sich in das noch von den Flam­men am meis­ten ver­schon­te Saa­l­eck zu­rück­ge­zogen hat­te. Ihr Leib war un­na­tür­lich auf­ge­trie­ben, und als man ihr den Kopf dem Sä­bel ab­ge­hackt hat­te, schnitt man ihr aus Neu­gier­de den Bauch auf und fand ein leb­lo­ses Kind dar­in. Es war von Schup­pen be­deckt wie ein Schlan­gen­kind, aber of­fen­bar mensch­lich. Als man es be­rühr­te, fand man es warm und es schlug plötz­lich die Au­gen auf und be­gann zu schrei­en. Der hin­zu­kom­men­de Arzt über­goss es mit Was­ser, und es gin­gen die Schup­pen ab, wo­durch sich der merk­wür­di­ge Aspekt ei­nes Dra­chen­ba­bys ver­lor. Das war also ich. Und so wur­de ich ge­bo­ren, aus dem Bauch ei­ner Schlan­ge.“
    Hol­mes ließ sich sei­nen Tas­se noch ein­mal auf­fül­len, während wir uns über ein un­de­fi­nier­ba­res Bal­kan­ge­richt her­mach­ten, das ge­ra­de vom Zug­die­ner nach ei­nem Zwi­schen­stop in Linz an­ge­bo­ten wor­den war als „Mit­ter­nacht­sein­la­ge“, wie er flötend zu be­mer­ken ge­ruh­te. Dazu gab es Schnaps, den wir ne­ben­bei hin­un­ter stürz­ten. Ich merk­te, daß Pro­fes­sor Becks­tein, der doch schon in vor­ge­rück­tem Al­ter war, herz­haft zu­lang­te. Es sei sei­ne „frän­ki­sche Na­tur“, mein­te er, hef­tig kau­end, doch ohne mit dem Blick auch nur einen Au­gen­blick von Hol­mes ab­zu­las­sen, der sich ge­ra­de kau­end den Mund ab­wisch­te und fra­gend auf sein Zi­gar­re­ne­tui klopf­te. Wir nick­ten, und er ent­zün­de­te eine wei­te­re Ha­van­na.
    Dann fuhr mein Freund fort, wo er auf­ge­hört hat­te: „So­weit die Erzäh­lung mei­nes Va­ters – nach sei­nem Ner­ven­zu­sam­men­bruch. Nicht mei­ne. Wie ge­sagt, kann ich dazu na­tur­ge­mäß kei­ne sinn­vol­len Bei­trä­ge lie­fern. Sein Geist war an­ge­grif­fen, nach­dem mei­ne Mut­ter in ver­las­sen hat­te, so­viel seht fest, und reich­te wirk­lich nur mehr für das Be­trei­ben ei­ner Pfand­leih­an­stalt. Die Epi­so­de aber, von der ich erzähle, stand am 11. 12. 1867 im „Wie­ner Tag­blatt“. Es han­del­te sich bei dem Kind, wie dort ge­schrie­ben stand, zwei­fel­los um einen „Neu­ge­bo­re­nen mit ne­gro­i­den Ge­sichts­zü­gen“, zu dem sich trotz in­ten­si­ver Nach­for­schung der Be­hör­den kei­ne Mut­ter fand. Es wur­de zur Ad­op­ti­on frei­ge­ge­ben und schließ­lich, als sich kei­ne in­ter­es­sier­ten Paa­re fan­den, mei­nem Va­ter über­las­sen, der un­ter dem Wahn litt, sei­nen Sohn vor sich zu ha­ben. Er tauf­te mich Voo­doo – ein Name, der auf dem Amt auf Vik­tor um­ge­fälscht wur­de, ein Name, der auch heu­te in mei­nem Rei­se­pass steht, aber in­ner­halb der Fa­mi­lie nie ver­wen­det wur­de.“
    „ Vik­tor wäre al­ler­dings viel schö­ner“, wand­te ich ein, und auch Pro­fes­sor Becks­tein nick­te hef­tig und rief: „Der Sieg­rei­che, ja, das ist ja wirk­lich tref­fend, wenn man be­denkt, daß sie nach ei­ner Brand­ka­ta­stro­phe aus Schlan­gen­haut ent­s­tie­gen sind! Aber Herr Hol­mes, er­lau­ben Sie mir die Be­mer­kung, Sie se­hen gar nicht aus wie ein Ne­ger!“
    Hol­mes igno­rier­te die Be­mer­kung. „Ich zeig­te von An­fang an große Wiss­be­gier­de und eine Be­geis­te­rung für die Na­tur­wis­sen­schaf­ten. Mein Va­ter

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