Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Saalwächter meldete diese Beobachtung seinem Vorgesetzten, der sich die Statue ansah und sie zwar lebensecht, aber offensichtlich leblos fand, und den Fall als Hirngespinst abtat. Die Lager aber änderte sich, als einige Tage später gerade in jenem Saal eine riesige Schlange, eine Boa constrictor, gefunden wurde, die nach Alarmierung von Schutzeinheiten eingefangen und durch den Saal geschleifte werden konnte, dann aber den hilfreichen Händen entglitt und durch die Kanalisation entkam. Einige Wochen später brach im Museum ein Feuer aus und viele Exponate verbrannten. Auch der afrikanische Saal wurde vom Brand ergriffen. Als die Löschmannschaften in den rußgefärbten Saal vordrangen, fanden sie inmitten verkohlter Reste etwas Lebendes: Die eifrig züngelnde, hoch erregte Schlange, die sich in das noch von den Flammen am meisten verschonte Saaleck zurückgezogen hatte. Ihr Leib war unnatürlich aufgetrieben, und als man ihr den Kopf dem Säbel abgehackt hatte, schnitt man ihr aus Neugierde den Bauch auf und fand ein lebloses Kind darin. Es war von Schuppen bedeckt wie ein Schlangenkind, aber offenbar menschlich. Als man es berührte, fand man es warm und es schlug plötzlich die Augen auf und begann zu schreien. Der hinzukommende Arzt übergoss es mit Wasser, und es gingen die Schuppen ab, wodurch sich der merkwürdige Aspekt eines Drachenbabys verlor. Das war also ich. Und so wurde ich geboren, aus dem Bauch einer Schlange.“
Holmes ließ sich seinen Tasse noch einmal auffüllen, während wir uns über ein undefinierbares Balkangericht hermachten, das gerade vom Zugdiener nach einem Zwischenstop in Linz angeboten worden war als „Mitternachtseinlage“, wie er flötend zu bemerken geruhte. Dazu gab es Schnaps, den wir nebenbei hinunter stürzten. Ich merkte, daß Professor Beckstein, der doch schon in vorgerücktem Alter war, herzhaft zulangte. Es sei seine „fränkische Natur“, meinte er, heftig kauend, doch ohne mit dem Blick auch nur einen Augenblick von Holmes abzulassen, der sich gerade kauend den Mund abwischte und fragend auf sein Zigarrenetui klopfte. Wir nickten, und er entzündete eine weitere Havanna.
Dann fuhr mein Freund fort, wo er aufgehört hatte: „Soweit die Erzählung meines Vaters – nach seinem Nervenzusammenbruch. Nicht meine. Wie gesagt, kann ich dazu naturgemäß keine sinnvollen Beiträge liefern. Sein Geist war angegriffen, nachdem meine Mutter in verlassen hatte, soviel seht fest, und reichte wirklich nur mehr für das Betreiben einer Pfandleihanstalt. Die Episode aber, von der ich erzähle, stand am 11. 12. 1867 im „Wiener Tagblatt“. Es handelte sich bei dem Kind, wie dort geschrieben stand, zweifellos um einen „Neugeborenen mit negroiden Gesichtszügen“, zu dem sich trotz intensiver Nachforschung der Behörden keine Mutter fand. Es wurde zur Adoption freigegeben und schließlich, als sich keine interessierten Paare fanden, meinem Vater überlassen, der unter dem Wahn litt, seinen Sohn vor sich zu haben. Er taufte mich Voodoo – ein Name, der auf dem Amt auf Viktor umgefälscht wurde, ein Name, der auch heute in meinem Reisepass steht, aber innerhalb der Familie nie verwendet wurde.“
„ Viktor wäre allerdings viel schöner“, wandte ich ein, und auch Professor Beckstein nickte heftig und rief: „Der Siegreiche, ja, das ist ja wirklich treffend, wenn man bedenkt, daß sie nach einer Brandkatastrophe aus Schlangenhaut entstiegen sind! Aber Herr Holmes, erlauben Sie mir die Bemerkung, Sie sehen gar nicht aus wie ein Neger!“
Holmes ignorierte die Bemerkung. „Ich zeigte von Anfang an große Wissbegierde und eine Begeisterung für die Naturwissenschaften. Mein Vater
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