Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Lippen der Bibliothekarin, als sie fortfuhr: "Es lohnt sich nicht, den Dreck zu lesen, es sind alles Lügen. Neid, spricht Eifersucht, Habgier, Geiz, und so weiter, sie kennen das doch, die Todsünden, all das führt früher oder später zu Mord. Einmal mordet die Obrigkeit, dann mordet die Unterschicht, es ist das alles ein Resultat von Gottlosigkeit, und die Details, wie es dazu kam, sind doch belanglos. Meist sind beide schuld, Mörder und Ermordeter, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle. Und jene, die am Rand stehen und selbst nicht morden, sind auch nicht besser. Es kommt doch darauf an, ob man etwas will oder nicht will. Ob man weiß, was man will, oder es nicht weiß. Und einer, der weiß, was er will, der wird zum Mörder. Es ist ein zwangsläufiger Vorgang. Und am Schlimmsten sind ja nicht die Mörder aus Berechnung oder Leidenschaft oder Gier, sondern die Idioten, die den Zug der zum Tode Verurteilten begleiten und schreien vor Wut darüber, daß ihnen selbst der Mut zu ähnlichen Taten fehlt. Das sind die Schlimmsten. Die Menge, die den Zug damals begleitet hat, hat folgerichtig dann auch das Haus, in das die Hexe entschlüpfte, niedergebrannt und dabei ein unschuldiges Mädchen getötet. Das sagt einiges über den Blutdurst der Menge vor diesen Hinrichtungen. Sie kommen außer Kontrolle, weil sie im Angesicht der Täter erkennen, was selbst in ihnen steckt. Da kümmert sie nicht Besitz und nicht Recht und Ordnung. Was hatte zum Beispiel der Hausbesitzer verbrochen, dessen Hab und Gut man anzündete? Man wollte, wie es nachher hieß, die Hexe ausräuchern, und so mußte das Haus daran glauben, und die Nachbarhäuser, bis die Feuerwehr den Brand gelöscht hatte. So sind die Menschen.“
„ Es muß etwas geben, das sich dieser Maßlosigkeit entgegenstellt“, sagte Holmes, „zum Beispiel ein Biber.“
Sie zwinkerte mit den Augen, irritiert, als hätte er einen Affront begangen. Dann wurde sie bleich.
„ Es tut mir leid, wenn ich Tiere erwähne“, meinte Holmes, „vielleicht hätte ich lieber von Schwänen sprechen sollen.“
Da spuckte die Bibliothekarin aus, geradewegs zwischen unseren Köpfen durch, und verfehlte uns dabei nur knapp. Einen Hauch tuberkulöser Feuchtigkeit konnte ich dabei noch durchziehen spüren.
„ Lassen Sie mich mit solchen Albernheiten in Ruhe“, krächzte sie unwirsch, und verließ, so schnell es ihre alten Knochen zuließen, den Raum, vergaß dabei aber nicht, die Türe zuzuknallen.
Als wir wieder auf der Straße gingen, fragte ich Holmes, was er mit seinen Anspielungen gemeint und was er damit bezweckt hatte.
„ Das wird sich zeigen, lieber Watson. Ich überprüfte eigentlich nur die Stellung dieser Wörter im Kontext der Rose. Sie werden sich erinnern, daß wir gestern vor dem Bibra-Haus standen, das die Abbildung eines Bibers zeigte.“
„ Und das Schwanenhaus lag am anderen Ende des Rosenhakens“, warf ich ein, um ihm zu beweisen, daß ich mitdachte.
„ So ist es. Es scheint mir unzweifelhaft, daß die alte Dame vom gleichen Dämon gepackt ist, der auch unserem Gastgeber zusetzt. Es ist, naturwissenschaftlich formuliert, eine Infektion, die Tuberkulose. Das fiebrige Glänzen ihrer Augen, haben Sie es bemerkt, Watson?“
„ Natürlich. Ein bedauerlicher Fall. Auch hier scheint ein Versagen der Sanitätsbehörden vorzuliegen, Holmes, die Dame gehört in die Lungenheilanstalt, in Isolation.“
„ Ja, es wäre wahrscheinlich besser, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Aber phänomenologisch gesehen, Watson, wäre es besser, das Treiben des Dämons aus nächster Nähe zu betrachten. Man kann ihn offenbar provozieren, indem man die Wörter Biber oder Schwan verwendet."
"Nun, Biber, Holmes ..."
"Ja?"
Ich wurde verlegen. "Das könnte auch als Anspielung mißverstanden
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