Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Wer ist nun höher, der Eismann oder die Mumie? Sie verkörpern beide den Tod, nicht wahr?“
„ Gewissermaßen ja, Holmes, aber ...“
Er brachte mich mit einem Zischen zum Schweigen: „Da kommen sie.“
Wir setzten uns in einem verschwiegenen Winkel des Salons dem jungen Ehepaar Cumberton-Shoyle gegenüber. Er war noch etwas blass, aber sonst hätte er auf dem Theater die Rolle des jungen Liebhabers spielen können, ein feurig wirkender Mann mit dunklen Haaren. Und seine Frau war ein wirkliche Schönheit, die perfekt dazu passte. Es war merkwürdig, mit diesen Menschen, die das pralle Leben verkörperten, über so morbide Themen zu sprechen, wie wir es dann taten.
Zuerst wurde vom Eismann gesprochen, dem Holmes den pseudowissenschaftlichen Namen Homo crystalis gab, als handle es sich dabei um einen Menschen aus Eis. Die Vorstellung, daß es so etwas wie einen Homo crystalis überhaupt geben könnte, ein Kristallisationsprodukt aus Feuchtigkeit und verstorbener Seele, ist gewagt, aber nicht absurd, schließlich stellen wir uns Gespenster in der Regel als weißliche, nebelhafte Konfigurationen vor. Anders steht es mit dem Versuch, dergleichen wissenschaftlich zu beweisen. Das wollte Holmes leisten, und wenn das bedeutete, den Winter in einem baufälligen Gebäude in Schottland zu verbringen. Schloss Tyne stemmt sich dort seit dem Jahre 1165 auf Meeresklippen den in jener Gegend sehr heftigen auflandigen Winden entgegen und wird also seit Jahrhunderten von Salz und Schnee und jeweils wochenlang anhaltenden Regenfällen zerfressen. Die Untertanen der dazugehörigen Grafschaft ernähren sich, wie wir von seiner Lordschaft informiert, seit ewigen Zeiten von Fischzucht und Hasenjagd, denn es gibt dort von einer riesigen mit Buschhecken und Felsen bestandenen Steppen und Moorlandschaft abgesehen nichts, und die einzige Straße, die einen in Tagesfrist zur Zivilisation zurückführt, ist im Winter in der Regel unpassierbar.
„ Die Schauergeschichten, die sich um meinen Familiensitz ranken“, fuhr Cumberton-Shoyle fort, „sind in dieser abgelegenen Gegend beinahe das einzige Konversationsthema. Sie sind reich gesponnen und werden von einer bärbeißigen, sonst eher maulfaulen Bevölkerung, deren Exemplare sich durch merkwürdig wasserhelle Augen auffällig macht, gerne erzählt. Der Ausgangspunkt dieser Geschichten sind immer die Wolken - beziehungsweise Nebel- und Gischtformationen, die sich seit jeher jeden Abend, oft aber auch tagsüber, vor dem meerseitigen Trakt des Schlosses auszubilden pflegen. Schloss Tyne soll sogar an jener Stelle erbaut worden sein, wo diese Phänomene am stärksten auftreten.“
„ Man kann das Schloss eine meteorologische Station nennen?“
„ Gewissermaßen.“
„ Wann wurde Schloß Tyne erbaut?“
„ Im Mittelalter. Wann genau, weiß niemand. Manche Teile des Schlosses werden zu den frühesten Siedlungsspuren auf der Insel gezählt. Es mag auf einem alten Kultplatz errichtet worden sein, der dadurch geschändet wurde. Seither spricht man vom Fluch der Cumberton-Shoyles.“
„ Putzig. Und worin soll dieser bestehen?“ fragte Holmes leise.
Sein Gesprächspartner hüstelte. „Es ist ein Fluch, der gewissermaßen seit dem späten Mittelalter, dem Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen, 17 Familienmitgliedern das Leben gekostet hat. 32 Familienmitglieder sind nach den Behauptungen der Ärzte der Geisteskrankheit verfallen, von denen manche sogar soweit gehen, zu konstatieren, es habe in all den Jahrhunderten kein Mitglied unserer Familie gegeben, das nicht verrückt gewesen wäre.“
Als wir damals im Shay Club unserem Gastgeber
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