Voodoo Holmes Romane (German Edition)
weiß ich, und ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Watson. Aber er wird auch Ihr Bestes brauchen, glauben Sie mir. Er ist nicht nur gänzlich unerfahren, sondern rastlos, gedankenlos und in jeder Hinsicht unberechenbar. Aber die vergangene Nacht lässt mich hoffen, das gebe ich zu. Vielleicht wird doch noch etwas aus ihm. Aber ich warne Sie, sehen Sie sich vor: Er hat unsere Mutter an den Rande des Wahnsinns gebracht.“
„ Er ähnelt Ihnen in vielem, Holmes“, versicherte ich meinem Freund, der nur den Kopf schüttelte in trüben Gedanken, und es in der Folge vorzog, schweigend den Rauchwölkchen zuzusehen, die er aus seiner Pfeife sog und gegen die Zimmerdecke steigen ließ.
4
Man erreicht den Shay-Club durch einen unscheinbaren Hofeingang in der Holborn Road und gelangt in einen Garten, dessen Baumkronen in der warmen Jahreszeit undurchdringlich sind. Ein verschlungener Pfad leitet die Schritte dann bis an das andere Ende, wo die ersten Stühle und Tische auftauchen, und dann das kleine Tor mit dem Schild: „Shay-Club. Relais de Silence“. Im von zahlreichen Leselämpchen erhellten Empfangsbereich steht weiches Mobiliar, in dem man zu jeder Tages- und Nachtzeit Lesende oder auch Schlafende finden kann. Das eigentliche Leben findet in den Hinterzimmern statt, von dorther dringt dann immer wieder einmal lautes Männerlachen, oder man hörte erregtes Debattieren. In manchen Zimmern aber ist es leise und dunkel, und in so einem Raum glaubte ich nun zu treten, als mich das Geräusch des Regenmachers empfing. Es war wieder dieses Klappern, wie Tropfen auf einem Vordach, wie Murmeln, die gegen Drähte prallen, wie Metallzungen, von denen Fingerkuppen abgleiten. Ich hätte am Liebsten umgedreht, doch ich zwang mich, den Raum zu betreten. Er wurde vom schmalen Lichtkegel einer einzigen Lampe erleuchtet, die von oben auf das Wuschelhaar des jungen Holmes fiel, der bewegungslos an einem Tisch saß, umgeben von Menschen, die ihre gespreizten Hände schwebend über der Platte mit den Fingerspitzen zu einem Kreis schlossen. Darüber – und ich konnte nicht erkennen, schwebte der Regenmacher, dieses knüppeldicke Utensil, und bewegte sich mit hypnotischer Regelmäßigkeit einmal auf die eine, dann auf die andere Seite, wobei er seine einschläfernden Geräusche verursachte. Die Hände, die Finger, schienen ihn schwerelos in der Luft zu halten. Ich drückte mich an die Wand und setzte mich auf einen der Stühle, die dort standen. Neben mir wohnten andere Gäste als Zuschauer der Seance bei, darunter auch eine ungewöhnlich schöne, junge Frau, die gebannt auf den Tisch starrte. Dieser bewegte sich mitunter, stieß augenblickslang in die Höhe mit einem lauten Klopfen, als schlüge jemand von unten dagegen. Wenn er das tat, teilte sich dieser Impuls auch dem Regenmacher mit, der dabei einen hellen, vibrierenden Ton ausstieß. Keiner aber hatte erwartet, was nun passierte: Ein hohe, blecherne Frauenstimme drang von der Decke, körperlos, wie durch einen Trichter. „Hilfe! Helft mir!“ schrie diese Stimme, sodaß es uns mit Gänseschaudern befiel. Sie schien zu rufen wie aus großer Tiefe, und der Klang ihrer Stimme schien sich hochzuhangeln an einer Wand. „Wie in einer Gletscherspalte!“ flüsterte da einer der Sitzungsteilnehmer, der vermutlich Bergsteiger war.
Holmes sprach ganz ruhig und schien von der Erregung, die die anderen erfasst hatte, nichts zu spüren, als er fragte: „Bist du es, Lidija?“
„ Um Himmels Willen, helft mir!“ gellte die Stimme, und dann ertönte ein Geräusch, wie es ein Mensch macht, der verstümmelt wird.
„ So helfen Sie Ihr doch, Mr. Holmes!“ schrie eine der Frauen am Tisch.
„ Bist du es?“ fragte dieser nur und machte ein Gesicht wie einer,
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