Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Lanze baumelnd bereits von kräftigen Armen in die Höhe gezogen wurde.
Ich kann Ihnen nicht beschreiben, was dieser Anblick in mir hervorrief. Ich bin zwar im Krieg gewesen, aber in meiner Jugendzeit, in der man weniger empfindsam ist. Und doch hatte ich in allen Schlachten noch nie so ein grausiges Bild vor mir gehabt wie dieser Leichnam eines alten Mannes, den ich gekannt hatte, und der gerade noch atmend und mit pulsierendem Herzen vor mir gehockt hatte.
Ich war schreckensstarr, und dazu trat dann der Gedanke, dass Sie von mir als dem "Fetten" gesprochen hatten, denn Holmes war sichtlich magerer als ich. Ich merkte, dass er mit mir sprach und sah dann an mir herunter und erblickte Holmes, der sich vor mich hin gesetzt hatte und mir seine Fesseln hinhielt, um sie ebenfalls zu lösen. Ich sah seien Kopf, den er im Nacken verdreht hatte, und sah ihn zugleich nicht, da mich ein Stich im Herzen lähmte im Gedanken, dass dort in kürzester Zeit die Spitze der Lanze stecken könnte mit Widerhaken versehen, und dass ich bleich als Leichnam in die Höhe gezogen werden würde - zu welchem Zwecke? Waren es kultische Handlungen, bei denen Blut verwendet wurde? Was konnte man mit diesem sinnlosen, grausamen Mord bezwecken? Ich hatte gar nicht bemerkt, dass meine eigenen Fesseln von selbst abgefallen waren, und ich wieder Gewalt über meine Arme zurückbekommen hatten. Schlaff lagen meine Finger auf den Fesseln meines Freundes, während ich mir neuerlich die äußerst festen Knoten vornahm, mit denen seine Arme am Rücken festgezurrt waren.
Ich kann nicht sagen, wieviel Zeit vergangen war, bis die Kraft einigermaßen in mich zurückgekehrt war und ich Holmes befreit hatte. Er nutzte die Gelegenheit gleich, seine Fußfesseln zu öffnen, stand auf und streckte sich, während ich immer noch wie gelähmt da saß. Er mußte mir meine Fußfesseln wie bei einem Kleinkind abnehmen, dem man die Schuhe anziehen muss, und das gar nicht begreift, dass die Füße in das Leder sollen.
Ich beobachtete starr, wie Holmes unser Gefängnis näher untersuchte. Es gab in der Wand eine Quelle, die aus einem Spalt hervordrang, durch eine Rinne im Boden rann, um am anderen Ende durch eine Höhlung abzufließen. Diese war aber kaum so breit, dass man den Kopf durchstecken konnte, und so tief, dass man nicht sagen konnte, wohin sie führte. Holmes stellte sich vor das Loch und stieß einen merkwürdigen hohen Ton aus, und dann noch einmal.
Dass er offenbar wußte, was er tat, weckte ich aus meiner Schreckstarre. "Bitte Holmes", sagte ich mit der Stimme eines kleinen Buben, "sagen Sie mir, dass Sie wissen, was Sie tun, und dass Sie uns aus diesem Kerker befreien können."
"Ich verspreche Ihnen, dass wir hier rauskommen", sagte er, drehte dann den Kopf wieder in das Loch und wiederholte den kleinen, klagenden Laut, der mich irgendwie an einen Pfauenschrei erinnerte.
"Was haben Sie vor?" fragte ich. Offenbar wurde man von oben, durch die Höhlung in die Kammer herabgesenkt oder geworfen, es gab keinen anderen Ausgang aus dem Gelass. Die Wände waren so glatt, dass keiner hoffen konnte, sie zu erklimmen, und neigten sich im oberen Teil sosehr, dass die Wand für einen Kletterer überhängend gewesen wäre, sofern man es in die Höhe von etwa sechs Metern überhaupt schaffte. Ich befühlte die Wände mit der Hand. Sie waren mit dem Bimsstein glatt geschliffen, und das durchgehend bis in die Höhe. Selbst wenn sich einer auf die Schultern des anderen gestellt hätte, war es aussichtslos, unserem Gefängnis kletternd entkommen zu wollen. Wieder befiel mich tiefe Mutlosigkeit, und ich fuhr dann erschrocken und zugleich erleichtert zusammen, als in der Öffnung, an der sich Holmes abmühte, ein Laut ertönte wie das Abbröckeln von Steinen. Dann noch einmal, und ein raschelnder Ton.
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