Voodoo Holmes Romane (German Edition)
in der Essex Road. Die ganze Fahrt lang beschränkte sich Holmes auf die kryptische Bemerkung: „Wenn wir zu spät kommen, ist alles zunichte!“
Er legte den Finger auf die Lippen, als wir den Hintereingang des Tierpräparatorladens geräuschlos öffneten. Es war dunkel und still, während wir uns auf Zehenspitzen zwischen den Präparaten durcharbeiteten. Und dann, mir stockte der Atem, sah ich halb verborgen in der Tiefe des Raums eine Betonwanne. Auf den ersten Blick glaubte ich an eine Waschvorrichtung für Tierkadaver, doch bald sah ich, daß es sich um wohlverzierten Marmor handelte, in dessen Kuhle jemand lag. Ja, es war die Ladenbesitzerin. Sie schlief mit überkreuzten Armen und offensichtlich sehr tief. Sie trug ein Paillettenkleid und war etwas heftig geschminkt. Sie schien kaum zu atmen. Die Haut ihrer wohlgeformten nackten Beine war alabasterfarben und strömte Kälte aus. Holmes zeigte mit dem Blick auf eine Platte, die daneben an der Wand lehnte und ich verstand augenblicklich. Blitzschnell und unter größter Anstrengung, kein Geräusch zu verursachen, packten wir die Platte, schweren, kühlen Stein, der unsere angesammelten Kräfte beanspruchte, schwenkten sie und platzierten sie mit einem beherzten Ruck geradewegs auf den Sarkophag. Das war so schnell und stimmig geschehen, daß ich es sogleich als Lösung empfand und ein erleichtertes Seufzen ausstieß. Ich verstand selbst nicht, warum, aber es war so. Es konnte etwas damit zu tun haben, daß die Anspannung im ganzen Laden mit einem Mal abfiel. Es war so, als hätte man seit Stunden unter einem quälenden Summen gelitten, daß nun plötzlich verstummte.
Auch Holmes wirkte sichtlich erleichtert, sah sich einen Augenblick vorsichtig um und als nichts weiter passierte, entspannte er sich ganz und sagte dann: „Also gut, Watson, dann können wir nun getrost nach Schottland fahren.“
„ Aber was ist passiert, Holmes, wie soll es nun hier weitergehen?“
„ Ich habe dir etwas verschwiegen“, sagte er, „die Seance, die du erlebt hast, sollte auch dazu dienen, die Mumie einzulullen, und das ist uns gelungen.“
„ Diese junge Dame hier ist also die Mumie?“
Er schüttelte den Kopf. „Sie war es“, sagte er.
Ich konnte mit diesen Worten nichts anfangen. Zwar spürte ich, daß mein Angstpegel immer weiter sank, und ich die Bedrohung, die das Haus in der Essex Road ausgestrahlt hatte, in sich zusammenfiel. Aber der Gedanke daran, eine junge Frau unter einer schweren Steinplatte eingeschlossen zu haben, bereitete mir Kopfzerbrechen.
„ Und was passiert jetzt weiter?“ fragte ich Holmes. „Zweifellos wird sie unter dem Stein ersticken, wenn wir ihn so lassen. Und selbst, wenn sie erwachte, wäre sie nicht fähig, die schwere Platte wieder zur Seite zu räumen.“
“ Davon gehe ich aus“, sagte Holmes.
“Aber das ist Mord“, wandte ich ein.
“Eine Mumie ermorden? Nein, das geht nicht“, behauptete er. „Man kann sie höchstens konservieren, und das wird geschehen, verlass dich drauf.“
“Aber bist du dir sicher, daß sie eine Mumie ist?“
„ War, Watson. Sie war eine Mumie.“ Er zog eine dieser französischen Zigaretten aus seiner Brusttasche und steckte sich eine an.
“Holmes“, begann ich in vorwurfsvollem Ton.
„ Keine Diskussionen“, sagte er mit schneidender Stimme, wie ich den jungen Mann noch nicht erlebt hatte. Es kamen offenbar doch verstärkt die Holmes’schen Gene durch. „Wir haben noch zu packen. Bis morgen.“
Ich wusste, daß jede weitere Gegenrede zwecklos war. Er schickte sich bereits an, den Laden zu verlassen. „Ach, eines noch, Watson. Kannst du den Regenmacher holen? Er liegt noch im Shay-Club.“
„ Ja, gerne“, sagte ich. Der Club lag in der Richtung meiner Wohnung, und Holmes machte sich sichtlich
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