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Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Titel: Voodoo Holmes Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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en­de­te, in dem in der Fol­ge zahl­rei­che jun­ge Men­schen, vor al­lem Künst­ler ein­zogen und da­bei auch un­ge­scho­ren blie­ben. Jetzt fra­ge ich Sie: Wenn es sich bei der Präpa­ra­to­rin um eine jun­ge Frau ge­han­delt hät­te, die wir durch un­se­re schau­er­li­che Tat dem Ers­tickungs­tod aus­lie­fer­ten, wäre nicht bin­nen we­ni­ger Tage auch bei ihr ein Fäul­nispro­zess zu re­gis­trie­ren ge­we­sen? Man kann ein­wen­den, daß die Luft­ar­mut und Kei­mar­mut im Sar­ko­phag den Zer­fall ih­res Kör­pers ver­zö­ger­ten, und viel­leicht hat­te sie sich auch mehr­mals täg­lich vor ih­rem Tod mit Sei­fe die Haut bak­te­ri­en­frei ge­schrubbt im Sau­ber­keits­wahn, den ich bei der­glei­chen Da­men so häu­fig be­ob­ach­ten durf­te. Die Bak­te­ri­en des Darms aber blei­ben auch bei der sau­bers­ten Lei­che da. Hät­te es sich also um kei­ne Mu­mie ge­han­delt, hät­ten sie den Darm bald ge­bläht wie bei ei­ner Schwan­ge­ren, und wären durch­ge­bro­chen.
Es ist ja ein merk­wür­di­ges Schick­sal, das un­se­ren Kör­per ein­mal in Mil­lio­nen und Aber­mil­lio­nen Ein­zel­ler ver­wan­delt, die dann man­gels wei­te­rer Nah­rung zer­fal­len in Nichts. Erst sind wir Ein­zel­ne, dann Ein­zel­ler, dann Staub. Ir­gend­wann ein­mal, wenn ich längst die­sen Weg ge­gan­gen bin, wird wahr­schein­lich auch die Tier­präpa­ra­to­rin ihre ewi­ge Ju­gend ver­lie­ren und Stock­flecken ent­wickeln und man wird ihre Haut kon­ser­vie­ren und be­pin­seln müs­sen zur Freu­de zu­künf­ti­ger Ge­ne­ra­tio­nen von Mu­se­ums­be­su­chern. Um sie aber über­haupt se­hen zu kön­nen, müss­te es ge­lin­gen, den Deckel des Sar­ko­phags zu lüf­ten. Dann wür­de man wis­sen, ob über­haupt ein Mensch dar­un­ter sein Ende ge­fun­den hat­te – oder eine Mu­mie.
     
    Da­mals aber, als wir mit Lord Cum­ber­ton-Shoy­le und sei­ner zwei­ten Ge­mah­lin in ei­nem be­que­men Ab­teil ge­gen Schott­land schau­kel­ten, konn­te ich noch nicht wis­sen, daß sich der Ruf des jun­gen Hol­mes, den er seit­her bei Scot­land Yard ge­nießt, auf die Be­en­di­gung der Mord­se­rie in der Es­sex Road stüt­zen wür­de. Ich er­in­ner­te mich da­mals eher der Wor­te mei­nes Freun­des Sher­lock, der mich ge­be­ten hat­te, sei­nen miss­ra­te­nen Bru­der vor wei­te­ren Aben­teu­ern zu be­wah­ren, und ich fühl­te mich schul­dig und als ein Ver­sa­ger, da es mir nicht ge­lun­gen war, die Tier­präpa­ra­to­rin vor ih­rem Schick­sal zu be­wah­ren.
    Ich kam mir vor wie ein Ver­bre­cher auf der Flucht, während der Zug durch die Land­schaft pflüg­te und ich in ei­nem Buch blät­ter­te, das ich als Rei­se­lek­tü­re vor un­se­rer Ab­fahrt in der Tot­ten­ham Court Road er­stan­den hat­te. Es war die kom­men­tier­ten und über­setzten Aus­ga­be ei­ner al­ten Erzäh­lung, der Ge­schich­te von „Be­o­wulf“, ei­nes nor­di­schen Krie­gers aus dem 6. Jahr­hun­dert nach Chri­stus, nie­der­ge­schrie­ben im 9. Jahr­hun­dert in alt­eng­li­scher Spra­che.
    Je mehr ich in dem Buch las, de­sto stär­ker wur­de ich in die Ge­schich­te hin­ein­ge­zogen. Es ging auch hier um ein Schloss am Meer. Es ge­hör­te Hrod­gar und lag in Dä­ne­mark. Eine große Hal­le, der Met­saal, ging auf einen Bal­kon, über den das Un­ge­heu­er Gren­del, das nachts mit dem Ne­bel­moor auf­s­tieg, ein­drang und jede Nacht dreißig Recken raub­te, und das zwölf Jah­re lang, also ins­ge­samt etwa 130.000 Mann. In der Ge­schich­te hieß es: „Er er­brach die Tür der Hal­le, zer­riss den Nächst­lie­gen­den, zer­biss sein Ge­bein, trank sein Blut und ver­schlang große Stücke des Flei­sches, nur Hän­de und Füße ließ er üb­rig.“
    Konn­te es sich bei die­ser Ge­schich­te, die­sem ur­al­ten My­thos, nicht um eine Par­al­le­le zu den Vor­fäl­len auf Tyne han­deln, die da­für viel­leicht so­gar die Vor­la­ge her­ge­ge­ben hat­te? Die­ser Gren­del war in ei­ner ers­ten Über­set­zung ein Flug­tier. Be­o­wulf hieß ein jun­ger Held, der Gren­del, als er ihn im Schlaf über­ra­schen woll­te, mit blo­ßen Hän­den er­würg­te, ihm sei­nen Hand ab­riss und als Tro­phäe an die Decke des Met­saals hef­te­te. Das

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